KURZ Geschichte
1945 - Südamerika: Die neue Hochburg des Fußballs
Von Hardy Grüne
Als der Krieg zu Ende war, bekam der Weltfußball eine neue Landkarte. Vor allem in Südamerika, wo man zwischen 1939 und 1945 weitergespielt und sich vor allem weiterentwickelt hatte. Neben Uruguay, in den 1920er Jahren bei den Olympischen Fußballturnieren von Paris und Amsterdam begeistert umjubelt und 1930 erster Fußball-Weltmeister, war auch 1930-Finalgegner Argentinien zu einer fußballerischen Großmacht aufgestiegen. Dabei hatte Argentinien Anfang der 1930er Jahre noch eine ganze Generation Spitzenfußballer vor allem an Italien verloren, wo man Nationalspieler wie Orsi, Monti, Guaita oder Demaría aufgrund ihrer italienischen Wurzeln kurzerhand nationalisiert hatte und 1934 sowie 1938 mit ihnen Weltmeister geworden war. Ebenfalls auf dem Weg in die Weltspitze war Brasilien, wo seit 1933 Profifußball gespielt wurde (Argentinien seit 1931, Uruguay 1932) und das 1938 als einziges südamerikanisches Land an der WM in Frankreich teilgenommen hatte. Peru wiederum gewann 1939 unter dem Engländer Jack Greenwell erstmals die Copa América.
Während Europa im Krieg versank, profitierten Südamerikas Industrie und Wirtschaft vom damit einhergehenden Wettbewerbsvorteil. Anfang der 1940er Jahre begann Argentiniens Aufstieg zur dominierenden Fußballmacht auf dem Kontinent. Der intensive Ligacharakter in Buenos Aires, wo zahlreiche eng mit ihren Barrios verbundene Klubs Talente im Überfluss produzierten, ließ die Landesauswahl „albiceleste“ zur erfolgreichsten Elf der Epoche aufsteigen, die zwischen 1945 und 1947 dreimal in Folge die Copa América gewann.
Es war die Zeit von „la máquina“ („die Maschine“), einem aus Juan Carlos Muñoz, José Manuel Moreno, Adolfo Pedenera, Angel Labruna und Félix Lousteau bestehenden Wundersturm von River Plate, der mit seinem raumgreifenden und wechselvollen Spiel ein Vorläufer des niederländischen „totaalvoetbol“ der 1970er Jahre war. Argentiniens Aufstieg hatte aber auch einen politischen Hintergrund, denn in der ersten Peron-Ära (1946–55) wurde die „albiceleste“ zur verbindenden Klammer einer zerrissenen Gesellschaft. In Buenos Aires war der Fußball seinerzeit gemeinsam mit dem Tango wichtiger Teil der Kulturlandschaft und verband Oberschicht mit Unterschicht, Intellektuelle und Schöngeistige mit Arbeitern. An keinem Ort der Welt wurde Fußball intensiver gelebt als in Buenos Aires. Und keinem anderen Land verhalf er so kraftvoll zu nationalem Selbstbewusstsein wie der Migrationsgesellschaft Argentiniens. Brasiliens Zeit wiederum sollte erst noch kommen. 1950 richtete das Land die erste Nachkriegs-Weltmeisterschaft aus, bei der Brasilien und Uruguay dominierten, 1958 wurde die „Seleção“ erstmals Weltmeister.
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Eine Sonderrolle spielte Kolumbien, das in den 1930er-Jahren unter seinem liberalen Präsidenten Alfonso López Pumarejo und dank der boomenden Kaffeeindustrie wirtschaftlich aufgestiegen war. Davon profitierte auch der Fußball, woraufhin in den frühen 1940er-Jahren in Medellín, Bogotá sowie Calí Forderungen nach der Einführung des Profitums aufkamen. Es kam zum Streit der Profibefürworter mit dem Nationalverband Adefút, in dessen Folge mit der „Division Mayor“ („DiMayor“) eine unabhängige Profiliga entstand. Auf Bitten von Adefút verweigerte der Weltfußballverband FIFA der Liga allerdings die Anerkennung und trieb sie damit in die Illegalität. Kolumbien wurde nun zum „el dorado“ („Goldland“) des Weltfußballs. Weil die FIFA-Regeln in Kolumbien nicht galten, konnten international gültige Regularien wie beispielsweise die um die Ablösesummen folgenlos umgangen werden. Und weil Argentiniens Profiliga zeitgleich in einer Krise steckte, kam es zu einem Exodus argentinischer Profis zu den üppig zahlenden kolumbianischen Teams. Vorreiter war der Bogotáer Klub „los Millonarios“, der unter anderem Alfrédo Di Stéfano, Adolfo Pedernera und Nestor Rossi verpflichtete. Später gingen auch britische Profis wie Charlie Mitten, George Mountford und Neil Franklin nach Kolumbien, wo man schließlich sogar britische Schiedsrichter anwarb.
Hintergrund der Entstehung der Profiliga war nicht zuletzt der blutige Bürgerkrieg, der Kolumbien fest im Griff hatte. Alfonso Senior, damals Millonarios Präsident: „Die Menschen waren verzweifelt wegen der politischen Situation, und so unterstützte die Regierung unsere Bemühungen, ausländische Stars ins Land zu bringen. Sie gab Dollars, weil sie wusste, dass Spieler die Stadien füllen würden.“