KURZ Geschichte
16.2.2023: 104 Jahre Vllaznia Shkoder (Albanien)
„Wir waren immer einer der wichtigsten Vereine in Albanien“, sagt Klod. „Vor allem wegen der ausgezeichneten Jugendarbeit. Leider mussten viele Talente nach Tirana gehen, weil es das Regime so wollte. Deshalb wurde Vllaznia unter den Kommunisten auch nur fünfmal Meister. Immerhin konnten wir 1972 nach 25 Jahren Vorherrschaft von Partizani, Dinamo und 17 Nëntori erstmals wieder die Meisterschaft aus der Hauptstadt entführen. Das galt damals als Sensation. Shkodra ist eine völlig fußballverrückte Stadt. Wir haben immer in einem vollen Stadion gespielt. Alles drehte sich um Fußball, um Vllaznia. Jede Straße war blau-rot geflaggt. Heute interessiert das niemanden mehr.“
„2001 wurden wir das letzte Mal Meister. Damals war der Klub in privaten Händen. Unter den Kommunisten hatten alle Vereine Betrieben oder Behörden gehört. Vllaznia war im Besitz der Stadtverwaltung gewesen. 2000 übernahm Myftar Çela den Klub. Der war damals einer der mächtigsten albanischen Geschäftsmänner. Unter ihm entstand ein echtes Dream-Team, dem die Zukunft offenstand“, sagt Klod. „Nach der Meisterschaft ging alles schief. 2003 wurde Çela in Montenegro erschossen. Das ganze Land war geschockt. Er war sehr beliebt, und jeder vertraute ihm. Valter Fushaj wurde sein Nachfolger. Schnell gab es Gerüchte über Korruption. 2010 haben wir ein wichtiges Spiel gegen den Abstieg mit 3:2 gegen Skënderbeu Korçë gewonnen. Doch es stellte sich heraus, dass ein Spieler nicht auf dem Berichtsbogen gestanden hatte. Die Punkte waren weg, und jeder wusste, dass Fushaj das mit Absicht gemacht hatte. 2018 sind wir abgestiegen, zum ersten Mal überhaupt. Danach hat die Stadtverwaltung den Verein wieder übernommen, besser wurde es aber nicht. Inzwischen herrscht Resignation. Zur neuen Saison sind elf Spieler gekommen, fast alle aus dem Ausland. Moldawien, Nigeria und so weiter.
Dabei war Shkodra immer die Talenthochburg Albaniens.“ „Das Problem ist, dass die Kinder nicht mehr Fußball spielen können, weil es in Shkodra keine Plätze mehr gibt. In meiner Jugend, und ich bin ja erst 26, gab es überall Fußballplätze. Heute ist alles überbaut mit Wohnhäusern. Genauso wie die Parks. Auch die verschwinden, weil gebaut wird. Vllaznia hat noch nicht mal mehr ein eigenes Trainingsgelände. Es gibt nur einen kaputten Kunstrasen, auf dem man sich ständig Verletzungen holt. Das ist das eine Problem. Das andere ist Korruption. Warum soll ich ins Stadion gehen? Die Ergebnisse sind abgesprochen, der Fußball ist mies, die Infrastruktur schrecklich und dann kostet es mich ja auch noch Eintritt. Die Korruption macht alles kaputt. Vor fünf Jahren kamen 12.000 Zuschauer zu Derbys gegen Tirona. Das ist unser Erzfeind. Heute? Maximal 5.000. Die internationalen Wettbüros haben unsere Liga inzwischen aus dem Angebot genommen, weil die Wettmafia alles im Griff hat. Ich erinnere mich an ein Spiel in Lezha. Da kam der Präsident vor dem Spiel in die Kabine und sagte: ‚Wir gewinnen 1:0.‘ Wir schossen ein frühes Tor, alles war gut. Mit 1:0 ging es in die Halbzeit. Da kam der Präsident wieder und sagte: ‚Wir verlieren 1:3.‘ Dabei war es ein sehr wichtiges Spiel. Lezha hat dann zwei Tore gemacht, doch das dritte fiel nicht. In der 96. Minute gab der Schiedsrichter Elfmeter. Ein Witz. Er wurde natürlich verwandelt, und wir verloren 1:3. Oder schauen wir auf Partizani Tiranë.
Natürlich ist man dort glücklich, endlich wieder Meister geworden zu sein. Aber darf einen das wundern? Der Klub gehört dem Bruder des Premierministers! Dass Partizani Meister wurde, ist kein Zufall.“ (Hardy Grüne)
Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch "Onkel Enver, der Fußball und eine Radreise durch Albanien", das im Zeitspiel-Verlag erschienen ist.