ZEITSPIEL Geschichte. Ausgabe #27
Die wunderbare Welt der Vereinsnamen
(Von Hardy Grüne)
Warum brauchen Fußballklubs Vereinsnamen?
Fußball ist Wettstreit und der lebt vom „Wir“ gegen „Die“. Als Team bildet man eine Einheit („11 Freunde“) und kämpft unter gemeinsamen Namen und Flagge. Die unübersehbare Nähe zwischen Mannschaftssport und militärischen Einheiten ist frappierend. Wie in der Armee werden die „Kampfverbände“ über Namen und Fahnen (bzw. Farben) unterschieden, damit jeder weiß, wo er (oder sie) hingehört. Das Erste, was ein Fußballverein nach seiner Gründung bekommt, ist ein Name. Dahinter versammeln sich die Mitglieder und stricken an einer Identität, die den Namen bald mit Leben und schließlich auch Geschichte füllt. Und so transportieren die Namen von Traditionsklubs wie Werder Bremen ebenso wie der eines jungen Fußballunternehmens aus Leipzig die Vergangenheit, die unter der jeweiligen Bezeichnung geschrieben wurde. Bei Werder denkt man auch an junge Burschen in schweren Fußballstiefeln und über die Knie reichende Hosen zu Anfang der Jahrhundertwende. Bei Leipzig fallen einem eher ausgeklügelte Marketinginstrumente ein, die Identifikation erzeugen sollen. Beides funktioniert, wobei eine Beurteilung über den Wert der jeweils akkumulierten Historie an dieser Stelle nicht diskutiert werden soll.
Vereinsnamen sind so alt wie der Fußball. Der erste Fußballklub der Welt nannte sich schlicht „Sheffield Football Club“. Eine bis heute übliche Vorgehensweise: Ort + Zweck = Name. Das sind jene Elemente, die nach außen transportiert werden sollen: Wo kommen wir her, was tun wir? Schon bald aber erweiterte sich das Spektrum und wurde innovativ. Gepflogenheiten wurden zu Namen. „Rovers“ oder „Wanderers“ sind Hinweise auf die Gründerjahre, als Mannschaften von Platz zu Platz „wanderten“. Sheffield Wednesday erhielt seinen Namen, weil die Mitglieder sich mittwochs zum Spiel trafen (im Übrigen Cricket, Fußball kam erst später dazu). „City“ oder „Town“ stehen für das Selbstverständnis, die führende – oder gar einzige – Mannschaft am Ort zu sein.
Als Fußball nach Deutschland kam, lief es ähnlich. Der erste hierzulande gegründete Verein hieß Berliner Fußball-Club „Frankfurt“. Ein in mehrerlei Hinsicht ungewöhnlicher Name, der viel über den Zeitgeist verrät. Da ist das englische Wort „Club“ statt des deutschen „Klub“ – es spiegelt die Identifikation der Gründer mit den britischen Fußballpionieren und das polyglotte Weltbild, das viele deutsche Vereinsgründer hatten. „Frankfurt“ wiederum verweist auf den Geburtsort von Klubgründer Georg Leux, den es zwar nach Berlin verschlagen hatte, der aber im Herzen Frankfurter geblieben war. Ein Klubname ist eben auch Identität.
Ähnliches ist vom ältesten noch bestehenden Verein BFC Germania 88 zu sagen. „Germania“ ist ebenso ein Bekenntnis zur Heimat wie die schwarz-weiß-roten Farben, im Gründungsjahr 1888, auf dem Höhepunkt der Patriotismuswelle nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 und der Reichsgründung, allgegenwärtig. Als lateinisches Pendant für Deutschland transportiert der Begriff zudem den gebildeten Hintergrund der Vereinsgründer, die allesamt höhere Schule besucht hatten und selbstverständlich über Lateinkenntnisse verfügten. Ein Vereinsname ist folglich nicht nur Orts- sowie Zweckbezeichnung, sondern kann auch Bekenntnis oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe signalisieren – mitunter bis heute. Rekordmeister FC Bayern kokettiert trotz Weltruhm unverändert mit seiner landsmännischen Zugehörigkeit zum Volk der Bayern und pflegt den Slogan „Mia san mia“.
Vereinsnamen haben in Großstädten und Metropolen eine andere Funktion als in kleineren Orten oder dem ländlichen Raum. Das führt zur Unterscheidung zwischen nüchternen Zwecknamen (Fußball-Club, Sportverein etc.) und ausschmückenden Wortnamen (Eintracht, Blau-Weiß, Werder etc.). Die Vielzahl von städtischen Vereinen machte es nötig, unterschiedliche Wortnamen zu finden, um die Teams zu unterscheiden. In Klein- oder Mittelstädten hingegen brauchte es nur wenige Vereine mit Wortnamen, weil die Gesamtzahl der Mannschaften überschaubar war. Im ländlichen Raum wiederum prägte bis zum Ersten Weltkrieg die Turnbewegung den Vereinsalltag. Nach dem Krieg boten viele Turnvereine auch Sportdisziplinen an und wurden zu TSV, TuS, Tuspo etc.
Auch weltanschauliche, politische oder kulturelle Namen fanden Einzug ins Vereinswesen. DJK-Vereine stammen aus der katholischen Sportbewegung, Maccabi aus der jüdischen. Türkgücü, Maroc oder Italia sind selbsterklärend, Glück Auf weist auf eine Verbindung zum Bergbau hin. Eintracht, Union oder Spielvereinigung sind oft (nicht immer!) durch Fusion entstandene Vereine. Mitunter spielte auch der Zufall Namenspate. So wurde der SC Sylvia aus Ebersdorf in Oberfranken nach einer Jahrmarktakrobatin benannt, erhielt die Berliner Hertha ihren Namen von einem Ausflugsdampfer, trägt die Düsseldorfer Fortuna einer hartnäckigen Legende zufolge den Namen eines zufällig vorbeifahrenden Lieferwagens der Fortuna-Bäckerei.
Hinweise auf den sozialen Hintergrund der Mitglieder lieferte in der Gründerzeit der Unterschied zwischen Klub und Verein. Ein Verein war grundsätzlich egalitär, also offen für alle sozialen Schichten. Ein Klub hingegen gab sich elitär, ihm konnte man nur unter bestimmten Voraussetzungen beitreten. Das wurde jedoch keinesfalls immer streng gehandhabt, denn „Klub“ drückte in der englischen Schreibweise „Club“ nicht zuletzt ein Bekenntnis zum aus Großbritannien importierten liberalen und weltoffenen Geist aus – und keineswegs Abgrenzung.
Rechtlich muss ein Vereinsname in Deutschland übrigens der „Namenswahrheit“ entsprechen. Salopp gesagt: Es muss drin sein, was drauf steht. Der Name ist Punkt 1 in jeder Satzung, oft in Verbindung mit dem Vereinszweck und den Vereinsfarben, wohingegen Wappen selten Satzungsrang erreichen. Heute ist die Namenswahrheit längst nicht mehr überall gewahrt, was der sonst so gestrenge deutsche Amtsschimmel jedoch durchgehen lässt. So sind die Freien Turner aus Braunschweig im Fußball erfolgreich, dürften beim Männerturnverein Gifhorn auch Frauen Sport treiben, hat es der Tennis Club Borussia aus Berlin bis in die Fußball-Bundesliga geschafft. Manchmal sind Vereinsnamen eben auch ein Auszug aus der Zeitgeschichte.
Dieser Text stammt aus Ausgabe #27
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