ZEITSPIEL Geschichte. Ausgabe #14
Der lange Weg zum Recht auf das Spiel
(Von Hardy Grüne)
Im Dezember 2018, und damit 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts, übernahm zum ersten Mal in der Geschichte des Leistungsfußballs in Deutschland eine Frau die Trainingsleitung einer Männermannschaft.
Imke Wübbenhorst ist zweifache Jugend-Europameisterin und hat für den Hamburger SV und den BV Cloppenburg in der Bundesliga gespielt. Im Sommer 2018 wechselte sie vom Spielfeld auf die Trainerbank beim Cloppenburger (Frauen-) Zweitligateam und wurde kurz nach Weihnachten mit der Übungsleitung der akut abstiegsbedrohten Cloppenburger (Männer-)Oberligaelf betreut. Wübbenhorst hat klare Vorstellungen, wie sie das Team des in sich zerstrittenen und ruinösen Vereins retten will: „Wir können mit einfachen Veränderungen manches schnell verbessern: ein anderes System, eine andere Grundformation, das Pressing in der Mitte verstärken und die Bälle nach außen lenken.“
Auch wenn Cloppenburgs Notvorstand Herbert Schröder beteuerte, „wir haben nur nach Qualifikation entschieden, nicht nach Geschlecht“ war es nur bedingt ihre fachliche Expertise, die Wübbenhorst ins Amt brachte. „Das wurde ich aus der Not heraus“, sagte sie gegenüber der „Zeit“: „Der Verein hat wenig Geld, brauchte wen, und ich war eben die mit der nötigen Qualifikation.“ Ihre Inthronisierung sorgte europaweit für Schlagzeilen. „Der Rummel ist auf den ersten Blick ungewöhnlich: Wir haben eine Kanzlerin, in Krankenhäusern haben Frauen das Sagen und bei mir in der Schule ist es auch kein Problem. Fußball ist aber die deutsche Männerdomäne schlechthin“, glaubt die Gymnasiallehrerin. Und zur Männerdomäne gehört offenbar der schlüpfrige Herrenwitz. Ob sie denn eine Sirene trage, damit die Männer noch schnell eine Hose anziehen könnten, wenn sie in die Kabine käme, wurde Wübbenhorst gefragt. Ihr erstklassiger Konter: „Natürlich nicht. Ich bin Profi. Ich stelle nach Schwanzlänge auf“ war den Herren in den Redaktionen von „Bild“, „Sportbuzzer“ und Co. dann gleich wieder eine Schlagzeile wert.
Männer im Frauenfußball sind seit Ewigkeiten Normalität. Gero Bisanz baute einst die Nationalmannschaft auf, die später u. a. von Horst Hrubesch trainiert wurde, und in Potsdam stieg Bernd Schröder schon zu DDR-Zeiten zur Legende auf. Frauen im Männerfußball indes sind ein rares Gut. Wübbenhorst: „Ich hatte mich auch bei anderen Männerklubs als Trainerin beworben. Man hat mir aber nicht zugehört, man hat sich noch nicht mal von meiner Qualifikation überzeugen lassen wollen. Weil ich eine Frau bin, hieß es, die kann mit Männern doch nicht umgehen. Das alte Klischee also. Es geht um viel Geld, Vereine scheuen uns Frauen. Und wenn es schiefgeht, würde ich vielleicht darauf reduziert werden, aufs Frausein“.
Vom Wandel des Geschlecht-Begriffs
Man kommt um die Geschlechterdebatte nicht herum, wenn es um „Frauen und Fußball“ geht. Das beginnt schon bei den Begriffen. Wenn Männer spielen, braucht „Fußball“ keinen Zusatz, reicht „FIFA World Cup“ oder „Fußball-Club Bayern“. Spielen Frauen, wird das auch explizit benannt. In diesem Sommer geht es in Frankreich um den „FIFA Women's World Cup“, und zu den erfolgreichsten Teams in Deutschland gehören der „1. Frauen Fußball-Club Turbine Potsdam“ und der „1. Frauen Fußball-Club Frankfurt“. Das ist natürlich zunächst Folge der historischen Entwicklung, die auch die Sprache über mehr als ein Jahrhundert geprägt hat. Denn als der heutige Fußball (bzw. das Rugby) in den 1860er-Jahren aufkam, waren Frauen insgesamt von vielen gesellschaftlichen Bühnen ausgeschlossen oder zumindest deutlich unterrepräsentiert.
Bis ins 18. Jahrhundert hatte das Wort „Geschlecht“ übrigens eine rein genealogische Bedeutung im Sinne gemeinsamer Abstammung ± wie beispielsweise dem „Geschlecht der Hohenzollern“. Erst ab Ende des 18. Jahrhunderts rückte die biologische Bedeutung des Wortes ins Zentrum. Wissenschaftler sprechen rückblickend von der „Erfindung der Geschlechterdifferenz“. Damit einher gingen feste Rollenzuschreibungen. Verkürzt ± und provokant ± gesagt wurden Männer als Kämpfer heroisiert, während Frauen als Gebärmaschinen und Küchenkräfte betrachtet wurden, die möglichst apart auszuschauen und sich entsprechend zu benehmen hatten.
Die Industrielle Revolution mit ihren Folgen wie Verstädterung, Bildung eines Proletariats und Aufstieg des Bürgertums auf Kosten der Aristokratie brach diese starre Ordnung auf. Parallel wurde Fußball zum Massensport. Zunächst in Großbritannien, nach dem Ersten Weltkrieg auch in Deutschland. Er galt als männliche Kampfdisziplin mit dem Potenzial zum Kriegsersatz und unterstützte in gesellschaftlich umwerfenden Zeiten einerseits das vorherrschende Konzept männlicher Erziehung und Sozialisation zum Kämpfer, während er andererseits die romantische Idee des „Gentleman“ pflegte. Statt sich Raufereien zu liefern (oder gar Kriege zu führen) kickten Jungs und Männer um Sieger und Verlierer. In Großbritannien wie Deutschland avancierte Fußball in rasantem Tempo zum Nationalsport, der weit mehr als nur ein fröhlicher sportlicher Wettstreit war. Mareike König schrieb 2006 in ihrer Untersuchung „Frauenfußball und Gesellschaft in Deutschland seit 1900“: „Nationale Sportarten und Männlichkeit sind eng miteinander verwoben. Eine nationale Sportart produziert und sichert die männliche Identität, die für ein bestimmtes Land spezifisch ist.“
Die sozialökonomischen Veränderungen der Industriellen Revolution zogen einen gesellschaftlichen Wandel nach sich, der elementar auch die Stellung der Frau betraf. Frauen traten zunehmend in Betrieben, Produktion und Kulturbetrieb auf, verweigerten sich ihrer zugedachten Geschlechterrolle. Die aufkommende Frauenbewegung propagierte auch sportliche Aktivitäten ± sowohl aus gesundheitlichen als auch aus erzieherischen Gründen. Denn Selbsterfahrung führt zu Selbstwert. Ab 1880 drängten im Kaiserreich verstärkt Frauen in Turnvereine und entwickelten Interesse für Disziplinen wie Netzball, Laufen, Werfen oder Springen. Das traf auf Widerstand der von Männern beherrschten Vereine und Institutionen, die medizinische, psychische und sittliche Argumente vorbrachten. Turnen und Sport bewirke eine „Schwächung des weiblichen Züchtigkeitsgefühls und Verminderung der Liebe zum stillen häuslichen Wirken“, hieß es. Und selbst dass Turnen und Sport für Mädchen ab 1894 reichsweit auf die Unterrichtspläne der Schulen rückte, war kein Akt der Gleichberechtigung. Vielmehr fürchtete die männliche Führung durch eine „physische Vernachlässigung des weiblichen Geschlechts Schäden für das ganze Volk“. Etliche im Geiste von Turnvater Jahn stehenden Turnvereine verschlossen sich entsprechend den Frauen (wie auch zahlreiche der sich modern und demokratisch gebenden Sportvereine), sodass sich vielerorts Frauenvereine etablierten. In der sozialdemokratischen Arbeitersportbewegung des ATB bzw. ATSB wurde das zwar etwas weniger rigide gehalten, auch dort dominierten aber männlich gedachte Geschlechterrollen.
Erster Weltkrieg bringt „Durchbruch“
In Großbritannien wurde Fußball schon in den 1890er-Jahren auch von Frauen betrieben. 1888 war die Profiliga für Männer gegründet worden, und im Publikum fanden sich natürlich auch Frauen ein, die das Spiel selbst ausprobieren wollten. Sie kamen fast ausschließlich aus der gebildeten und wohlhabenden städtischen Ober- bzw. gehobenen Mittelschicht. 1894 gründete die Londoner Frauenrechtsaktivistin Netty Honeyball mit dem British Ladies‘ Football Club den ersten Frauenfußballklub, und am 23. März 1895 sahen mehr als 10.000 Besucher ein „Ladies Football Match“, das Nordengland mit 7:1 gegen Südengland gewann. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren die Knickerbocker-Pluderhosen, die von den Spielerinnen getragen wurden, denn die viktorianischen Moralvorstellungen erlaubten Frauen damals nur bodenlange Röcke. Die Reaktion der Männerwelt fiel eindeutig aus. 1902 empfahl die englische FA ihren Mitgliedervereinen, Frauenteams nicht zu unterstützen, da Fußball zu „rau und männlich“ sei.
In Deutschland erwähnte Fußball- und Rugbypionier Phillip Heinecken 1896 in einer Publikation, „dass Fußball längst auch von Mädchen gespielt wird, und dass sie sich dabei ganz wohl fühlen“. Auch deutsche Männer wollten von Frauenfußball jedoch nichts wissen. Turnlehrer August Hermann, in den 1870er-Jahren gemeinsam mit Konrad Koch Initiator der ersten Fußball/Rugby-Spiele in Braunschweig, prognostizierte gar: „Fußball wird wohl niemals von Mädchen oder Frauen bei uns gespielt.“
Erst der Erste Weltkrieg verhalf dem Frauenfußball zu einer Art Durchbruch. Während sich die Männer auf den Schlachtfeldern gegenseitig niedermetzelten und ihr Fußball-Spielbetrieb ruhte, übernahmen Frauen an der „Heimatfront“ Verantwortung in Landwirtschaft, Industrie und Verwaltung. Im Umfeld großer Industriebetriebe entstanden Frauenfußballteams wie der „Dick, Kerr Ladies FC“ im englischen Preston, dessen Spiele bemerkenswerte Zuschauerscharen anlockten, was wiederum in der Presse als „patriotischer Akt“ gefeiert wurde. Frauenfußball wurde also nur deshalb eine gesellschaftliche Berechtigung zugesprochen, weil er für die Erhöhung der Kriegsmoral instrumentalisiert werden konnte. Von Männern. Dennoch: 1921 hatte quasi jede englische Stadt ein Frauenteam, war Frauenfußball auf dem Weg zur gesellschaftlichen Anerkennung.
Als sich nach Kriegsende die „Normalität“ des männlichen Fußball-Ligaspielbetriebes wieder einstellte und Männer auch auf ihre Positionen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Alltag zurückkehrten, war es mit der Unterstützung rasch wieder vorbei. Frauenfußball geriet in einen öffentlichen Diskurs, in dem Frauen die körperliche Eignung für das Spiel abgesprochen wurde. Im Dezember 1921 untersagte die englische FA ihren Mitgliedern, fußballspielenden Frauen Stadien oder Sportplätze zur Verfügung zu stellen. Offiziell begründet wurde dies mit Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Spielen und Gerüchten über Geldzahlungen an die Spielerinnen. Profifußball im Männerbereich gab es in England übrigens seit 1888, und auch dort standen Skandale um Geldzahlungen auf der Tagesordnung, ohne dass es Konsequenzen nach sich zog. Wenige Tage nach dem Verbot riefen 25 Frauenmannschaften in Blackburn mit der English Ladies Football Association (ELFA) einen eigenen Dachverband ins Leben, dem aber angesichts des insgesamt frauenfußballfeindlichen Klimas kein Erfolg beschieden war.
„Das Weib darf nicht zum sportlichen Wettkampf antreten“
Auch in Deutschland hatten Frauen während des Krieges Verantwortung im öffentlichen Leben und beispielsweise der Produktion von Rüstungsgütern übernommen. Zudem
zog der Sturz der Monarchie tiefe gesellschaftliche Umwälzungen nach sich. 1918 erhielten Frauen das allgemeine Wahlrecht, und in den 1920er-Jahren bildete sich ein neues weibliches Körperbewusstsein heraus. Die strengen Kleidervorschriften wurden gelockert, sexuelle Tabus aufgebrochen, die starren Geschlechterrollen in Frage gestellt. Vor allem in Großstädten wie Berlin oder Frankfurt drängten die berufstätigen, selbstständigen und konsumorientierten „Neuen Frauen“ in Männerdomänen vor. Oft mit kurzen Haaren und an männlicher Kleidung orientiertem Outfit. Darunter waren sogenannte „Sportsgirls“; nach damaligen Maßstäben noch nicht volljährige junge Frauen unter 21 Jahren, die von den Medien gerne als „Amazonen“ bezeichnet wurden. Es gab weibliche Autorennfahrer, Frauen in Handball (1917 übrigens als explizites Frauenspiel von der Turnbewegung erfunden), Tennis, Skilaufen, Rudern, Fechtsport, Schwimmen usw.
Sport diente aber nicht nur dem Vergnügen, sondern war Teil der Emanzipationsbewegung. „Wir trauten uns alles zu - sogar Gewichtheben und Stabhochsprung“, lautet der Titel eines 1966 erschienenen Aufsatzes von Liselotte Diem, renommierte Sportpädagogin und Ehefrau von Carl Diem. Die Wirkung blieb nicht aus, und 1919 verpflichtete die „Deutsche Sportbehörde“ ihre Mitgliedervereine, auch Frauenabteilungen einzuführen. Auch der im gesamten Reichsgebiet seit Kriegsende rasant populärer werdende Fußball wurde nun von Frauen aufgegriffen ± vor allem im Bildungsbürgertum. Schon vor 1914 hatten Frauen erste Fußballriegen in Studentinnenverbindungen gebildet, und 1922 wurde bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften erstmals offiziell von Frauen gekickt. Selbst erste Vereine öffneten sich. 1924 hieß es in der Vereinszeitung des Hamburger Fußballklubs Barmbek-Uhlenhorst: „Wie uns die Leiterin der Damenabteilung mitteilt, ist auf der letzten Vollversammlung eine Damenfußballmannschaft aufgestellt worden. Die Leistungen des ersten Trainingsabends sollen befriedigend ausgefallen sein.“
Der Aufschrei der konservativen Männer folgte auf dem Fuß und rückte die Frage nach dem „Wesen“ der Geschlechter ins Zentrum der Diskussion. Es ging um physische und psychische Eignung, um ¸sthetik und die moralischen Auswirkungen öffentlicher Auftritte von sporttreibenden Frauen. Die „schönsten Eigenschaften der Frau ± das sind Schönheit, Anmut, Schlankheit der Linie und Gelenke, flüssige, langgestreckte Muskeln zu mehren“, lobte „Mann“. Frauen, die über Ballgefühl oder taktisches Verständnis verfügten, wurden als unweiblich bezeichnet. 1926 fasste ein Herr Dawin-Herne das männliche Weltbild mit folgendem Satz zusammen: „Der Mann kann im Kampf heldische Größe erreichen, das echte Weib nie, denn die weibliche Eigenart entbehrt des Kampfmomentes.“ Sein Resümee: „Das Weib darf nicht zum sportlichen Wettkampf antreten.“ Männer urteilten also nicht nur über Frauen, sie sperrten auch ihre Spielfelder ab.
Wenngleich die Ablehnung unter der Oberfläche wohl vor allem eine Ablehnung der Emanzipationsbewegung und Verteidigung der Männerdomäne Fußball war, äußerten sich vereinzelt auch Frauen negativ. 1927 zeterte eine Beobachterin nach einem Frauenfußballspiel bei den deutschen Hochschulmeisterschaften in Königsberg, „Furien gleich“ seien die Spielerinnen über den Platz gelaufen: „Hetze, Schmutz, Stöße und Püffe ± das macht man doch nicht! Das ist einer deutschen Studentin doch unwürdig!“
Emanzipation und Fußball
Während Disziplinen wie Handball, Hockey, Leichtathletik oder Schwimmen keine Probleme mit sporttreibenden Frauen hatten, schottete sich der Fußball rigoros ab. Das hatte auch einen ideologischen Hintergrund. Fußball verdankte seinen immensen Aufschwung nach dem Ersten Weltkrieg nicht zuletzt einer schon vor dem Krieg geknüpften Verbindung mit Nationalismus und Militarismus. Und dass Spieler- wie Zuschauerzahlen nach 1918 regelrecht explodierten, war auch den traumatischen Erfahrungen der Soldaten auf den Schlachtfeldern zuzuschreiben. Das Image des Fußballs war demzufolge wettkämpferisch, aggressiv, gefährlich. Eine in ihrem Kern rohe bis verrohte Disziplin, in der Frauen (nach Ansicht von Männern) nichts zu suchen hatten. 1920 fabulierte Studienassessor Westerfröhlke in Bezug auf die Nachwuchsarbeit im DFB-Jahrbuch „echt Männliches wollen wir in unseren Jungen wecken“ und behauptete, Fußball sei bei Jungen so erfolgreich, „weil es das männlichste aller Spiele ist. Schlagball, vor allem Tennis, Faust- und Tamburinball, die vielen Neckspiele, kann man sich mit demselben Recht auch von jungen Mädchen ausgeführt denken. Fußball scheint allein der männlichen Jugend vorbehalten zu sein.“ Selbst im scheinbar aufgeklärten sozialdemokratischen Arbeiter Turn- und Sport-Bund (ATSB) herrschte ein ähnliches Weltbild. „Das Fußballspiel ist ein männliches Kampfspiel mit all den Begleiterscheinungen“, hieß es beispielsweise in der Zeitschrift „Die freie Turnerin“.
1930 rief die damals 19-jährige Metzgerstochter Lotte Specht in Frankfurt den ersten Frauenfußballklub Deutschlands ins Leben. Specht war durch die Euphorie rund um den FSV Frankfurt, der 1925 Deutscher Vizemeister der Männer geworden war, auf Fußball aufmerksam geworden. Zunächst hatte sie mit ein paar anderen Mädchen sonntags auf der Seehofwiese gekickt. „Dabei wurden wir eines Tages von Ernst Nebhut erwischt, der als Journalist immer auf Sensationen aus war und sagte "Mädchen, ihr müsst einen Klub gründen`“, erzählte sie 1970 der „Frankfurter Neuen Presse“. Per Annonce suchte Specht daraufhin nach Mitspielerinnen. „Dann haben sich ein paar Damen gemeldet und als wir zehn oder elf waren, haben wir uns im Steinernen Haus in Frankfurt getroffen.“ Nahezu alle Spielerinnen stammten aus wohlhabenden Familien. Gemeinsam gründete die Gruppe den 1. Deutschen Damen-Fußball-Club (DDFC).
2000 erinnerte sich Specht gegenüber dem „SZ-Magazin“: „Irgendwann engagierten wir auch mal einen Trainer, irgendeinen Mann, ich weiß nicht mehr, wen. Den hatten wir auch nicht lange. Und in Frankenthal in der Pfalz spielten wir mal gegen eine Männermannschaft.“ Weitere Unterstützung oder gar Förderung durch die männliche Fußballgemeinde blieb aber aus. „Der DFB, in den wir aufgenommen werden wollten, schrieb uns nur, das hätte ihnen gerade noch gefehlt, dass nun auch Frauen spielen (…) Mit der Zeit wurden wir immer weniger und nach einem Jahr, tja, da war er aus, der Traum.“ Rückblickend resümierte Specht: „Veräppelt haben sie uns damals, Mannweiber haben sie uns genannt und die Zeitungen haben uns durch den Kakao gezogen, für die waren wir nur Suffragetten, Frauenrechtlerinnen. Mädchen und Fußball ± das ging 1930 eben nicht zusammen.“ Die Motivation der Spielerinnen beschränkte sich nach Spechts Aussage im Übrigen nicht auf den sportlichen Aspekt: „Wahrscheinlich war ich doch ein bisschen eine Frauenrechtlerin. Ich habe gesagt: Was die Männer können, das können wir auch.“ Carla Verständig, eine weitere Pionierin des Frauensports und Publizistin, drückte es 1928 so aus: „Und so ist die Bewegung auf dem Gebiete des Frauensports und Frauenturnens ein Kampf um Frauenrechte gegen den Mann. Dem Mann zu zeigen: Was du kannst, kann ich auch!“
Unter den Nationalsozialisten wurde die Mutterschaft ab 1933 als vorherrschende „nationale Aufgabe“ der Frau herausgestellt. Sie habe „pflichtbewusst, treu, sparsam, ordentlich und sauber“ als „hilfsbereite Kameradin“ ihren Mann zu unterstützen. In den Leibesübungen (ein von den Nazis gern benutzter Sammelbegriff für Turnen und Sport) wurde ein „gesunder, starker, arischer“ Frauentypus gefördert, der sich vor allem im Schwimmen, Turnen, der Gymnastik und der Leichtathletik engagierte und Teil des „nationalen Kampfes“ war. Mannschaftssportarten erging es unterschiedlich. Während beispielsweise Basketball oder Handball auch von Frauen gespielt werden durften, blieb ihnen der Zugang zum Fußball versagt. 1936 erklärte der als „Fachsäule Fußball im DRL“ gleichgeschaltete DFB: „Oft aber widerspricht der männliche Kampfcharakter der einzelnen Sportart dem Wesen der Frau, die wir von Sportarten bewusst ausgeschaltet sehen wollen, die ihr die Würde des Weibes im Wettkampf nehmen müsste.“
Verbot nach dem „Wunder von Bern“
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zwar im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgeschrieben, das patriarchalische Denken in Sport und Gesellschaft blieb jedoch bestehen. Fußball galt unverändert als „unweiblich“ und „nichtfraugemäß“. Dennoch wuchs die Zahl fußballinteressierter Frauen auf den Zuschauerrängen und den Spielfeldern stetig an. Offiziell spielen bzw. Mitglied im DFB oder den Landesverbänden werden durften sie aber nicht. Christa Kleinhans, 1937 in Dortmund geboren, erinnert sich im Buch „Frauenfußball. Aus dem Abseits in die Spitze“: „Die Jungens sind in die Vereine gegangen und ich stand mit meiner Fußballleidenschaft allein auf der Straße.“ Im Gegensatz zu anderen Mannschaftssportarten wie Basketball, in dem 1952 eine deutsche Frauennationalmannschaft debütierte, oder Handball, in dem Frauen 1957 erstmals um den Titel des Weltmeisters spielten, blieb der Volkssport Fußball also eine Männerdomäne.
Ausgerechnet der bis dahin größte Erfolg des deutschen Fußballs verschärfte die Situation. Nach dem „Wunder von Bern“ drängten immer mehr Frauen, angesteckt von der allgemeinen Fußballeuphorie, auf die Spielfelder und in die Vereine. Es kam zu einer Reihe von Spielen (mit teilweise volksbelustigendem Charakter), während sich die Männerwelt trotzig verweigerte. Weltmeister Max Morlock beispielsweise empfahl den Damen via „Kicker“ (übrigens gleich im Namen auch seiner Frau): „Schwimmen, Leichtathletik, Turnen oder Skilaufen. Das sind eher frauliche Betätigungen.“
Nachdem einzelne Landesverbände bezüglich einer Unterbindung des Frauenfußballs vorgeprescht waren ± namentlich der Fußballverband Niederrhein, in dessen Gebiet Frauenfußball besonders populär war ± beschäftigte sich schließlich auch der DFB auf seinem Bundestag am 30. Juli 1955 in Berlin (weibliche Delegierte: null) mit der Angelegenheit. Ohne nennenswerte Diskussion untersagte man seinen Vereinen, „Damenfußball-Abteilungen zu gründen oder Damenfußball-Abteilungen bei sich aufzunehmen“. Außerdem durften die Klubs ihre Sportplätze nicht mehr „für Damenfußballspiele zur Verfügung stellen“, wurde Schieds- und Linienrichtern untersagt, „Damenfußballspiele zu leiten“. Der Deutsche Fußball-Bund behinderte Frauen also nicht nur an der Ausübung des Sports, er untersagte zudem Männern, ihnen Möglichkeiten zum Spielen zu verschaffen.
Der „Kicker“, der in seiner Ausgabe vom 1. August 1955 auf zwei engbedruckten Seiten über den Berliner Bundestag berichtet, erwähnte das Verbot ganz am Ende in sieben dünnen Zeilen und schloss mit den Worten „Ende gut ± alles gut. Eintracht und Harmonie verband die Delegierten am Schluss des Bundestages“. Das Fazit des Fußball-Fachblattes: „In seiner Gesamtheit zeichnete sich die Situation des Fußball-Parlaments durch eine seltene Harmonie und eine straffe Inszenierung aus. Gefahrdrohende Klippen wurden geschickt umsteuert, der Gedanke, dem Sport zu dienen, beseelte alle, Vorstand und den letzten Delegierten.“
Die vorgetragenen Gründe für das Verbot waren dieselben wie in den 1920er-Jahren. Fußball sei ein Kampfsport und „ungeeignet für Frauen, deren Körper sich dafür weder physisch noch seelisch eigne“, denn er verlange „unästhetische Bewegungsabläufe“. Gestützt wurde dies auf eine aktuelle Studie des niederländischen Psychologen Frederik J.J. Buytendijk, der 1953 in „Das Fußballspiel“ schrieb: „Das Fußballspiel als Spielform ist wesentlich eine Demonstration der Männlichkeit. Es ist noch nie gelungen, Frauen Fußball spielen zu lassen. (…) Das Treten ist wohl spezifisch männlich, ob darum Getretenwerden weiblich ist, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls ist das Nicht-Treten weiblich.“ Dr. Peco Bauwens, damals DFB-Präsident, wies nebenbei galant darauf hin, dass es in Deutschland ohnehin eine Sportplatzknappheit gäbe und die Vereine mit ihrer männlichen Klientel die vorhandenen Spielplätze bis an die Kapazitätsgrenzen ausschöpfen würden. Spiele müssten „schon jetzt vielfach auf Samstag gelegt werden“, erregte sich der oberste Hüter des deutschen Fußballs.
Ausgerechnet das „Wunder von Bern“, gerne als „Geburtsstunde der Bundesrepublik“ bezeichnet, sorgte also indirekt dafür, die Hälfte der Bevölkerung des Landes nun auch offiziell vom Fußball auszuschließen. Bei der Durchsetzung des Beschlusses war den Herren offenbar jedes Mittel recht. Einen Tag nach dem Berliner DFB-Bundestag kam es beim Spiel zwischen dem Damen FC Duisburg-Hamborn und Gruga Essen zu einem Polizeieinsatz. „Sie kickten nur 20 Minuten, dann wurde der Damenfußball liquidiert“, berichtete die „Westdeutsche Allgemeine“ und konstatierte, dass „es diesmal nichts war mit der Gleichberechtigung.“ „Draußen stand für alle Fälle das Überfallkommando“, staunte das Blatt. Das Männerbündnis Fußball zeigte Zähne.
Kicken im „Untergrund“
Das vom DFB erhoffte Ende der Diskussion blieb jedoch aus. Stattdessen entwickelte sich eine unabhängige Frauenfußball-Bewegung mit allerlei kuriosen Randerscheinungen. So rief 1956 der Essener Kaufmann Willi Ruppert den „Westdeutschen Damenfußballverband“ ins Leben und organisierte am 23. September 1956 sogar ein Frauen-Länderspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden, das 18.000 Zuschauer nach Essen lockte. Lotti Beckmann schoss beim 2:1-Sieg Deutschlands das erste „Länderspiel“-Tor der deutschen Frauenfußballgeschichte.
Als es 1957 in München zu einem weiteren Spiel kam, beschwerte sich DFB-Funktionär Dr. Georg Xandry, während der Nazizeit übrigens Generalsekretär des Fußballbundes, schriftlich beim Münchner Oberbürgermeister und meinte: „Mit der in Frage stehenden Veranstaltung sind Sie uns in unserem Kampf gegen den Damenfußball in den Rücken gefallen.“ Im selben Jahr wurde Berlins Stadtoberen mitgeteilt, man müsse künftig auf Länderspiele der Männer-Nationalmannschaft verzichten, sollte die Austragung von „Damen-Länderspielen“ genehmigt werden. Das rief sogar einen Protest des Deutschen Städtetages auf den Plan. An der Spree ließ man sich davon aber nicht abschrecken und genehmigte im November 1957 ein Vier-Nationen-Turnier, das von den Organisatoren Willi Ruppert und Dr. Gert Bernats kühn als „Europameisterschaft“ bezeichnet wurde. Teilnehmer waren Deutschland, England, die Niederlande und Österreich, dessen Team aber nicht antreten konnte, weil es wegen Nebels in Wien feststeckte. Aus diesen vier Nationen setzte sich auch die zwischenzeitlich gegründete International Ladies Football Association (ILFA) zusammen. Gespielt wurde über 2 x 35 Minuten, Sieger wurde das Teams Englands (wo Frauenfußball ebenfalls verboten war), das sich vor 3.000 Zuschauern im Mommsenstadion mit 4:0 gegen Deutschland durchsetzte.
Bernd „Bert“ Trautmann, der als Übersetzer und Team-Steward Englands fungierte, erinnerte sich später: „Vieles war mehr Spaß und Vergnügen. Aber auch sportlich wollte sich niemand eine Blöße geben. Insofern herrschte bei den Fußballfrauen, obwohl viele in der Pause durchaus auch mal eine Zigarette geraucht haben, durchaus Ehrgeiz. Für die Frauen aber stand im Vordergrund, sich in einer von Männern anerkannten Sportart zu präsentieren. Das war ein Stück weit Emanzipation, wenn Sie das so wollen. Gesellschaftliche Stärkung, Gleichberechtigung.“ Wirtschaftlich endete das Turnier allerdings mit einem Fiasko, und die beiden Veranstalter wurden später sogar festgenommen, weil sie offene Rechnungen nicht bezahlt hatten. Damit platzten auch deren Pläne, 1958 erstmals eine deutsche Meisterschaft im Frauenfußball auszurichten.
Innerhalb des DFB war die starre Position durchaus umstritten, zumal sich ja zeigte, dass umtriebige Geschäftsmänner das organisatorische Vakuum und spürbare Publikumsinteresse an Frauenfußball für ihre Interessen nutzten. Hermann Gösmann, der 1962 Nachfolger von Pecco Bauwens als DFB-Präsident werden sollte, forderte 1957, dass man die „Frage des Damenfußballs nicht dramatisieren dürfe“, und der Bayerische Fußball-Verband erlaubte sogar insgesamt sechs Vereinen, „Damenfußballabteilungen“ zu gründen. „Das kategorische Nein des DFB zum Frauenfußball wäre besser nicht gesprochen worden“, kommentierte der Berliner „Tagesspiegel“ im Oktober 1957: „Stattdessen hätte er seinen Vereinen raten sollen, bei Bedarf Frauenfußballabteilungen zuzulassen. Ihm wäre dieser Sport nicht entglitten, … die ganze Geschichte sähe heute sicher ganz anders aus.“ An der Verbandsspitze blieb es aber bei der Ablehnung, die am 16. November 1957 vom DFB-Beirat sogar noch einmal explizit bestätigt wurde. Die Aktivitäten von Geschäftsmännern wie Ruppert und Bernats oder dem Münchner Josef Floritz, der 1958 die „Deutsche Damenfußball-Vereinigung“ gründete und nach eigenen Angaben bis 1965 „150 Auswahlspiele“ organisierte, titulierte man beim DFB kurzerhand als „zirkusähnliche Veranstaltungen“.
An der Basis kämpften Mädchen und Frauen unterdessen um ihr Recht zu kicken. Dabei musste oft mit Tricks gearbeitet werden. Überliefert ist die Geschichte von Ingrid Marschak, die 1956 beim Hamburger Vorstadtklub Düneberger SV mittrainierte und sich dabei als derart talentiert entpuppte, dass der Verein einen Spielerpass beim Hamburger Verband beantragte. Und zwar ohne Angabe des Geschlechts. Eine Woche später war er ausgestellt und Marschak spielte offiziell in der Knabenmannschaft des DSV. Am Saisonende wurde sie als „Torschützenkönig“ zum Auswahltraining des Kreises Bergedorf eingeladen, wo das „Geheimnis“ aufflog. Der Auswahltrainer gewährte Marschak noch ein letztes Spiel, in dem sie drei Tore schoss, danach musste sie ihren Pass zurückgeben. Auch Bärbel Wohlleben, die im September 1974 als erste Frau für ein „Tor des Monats“ in der ARD geehrt werden sollte, kam in den 1950er-Jahren (durch ihre drei Brüder) zum Fußball und kickte mit Sondergenehmigung in der C-Jugend der SpVgg Ingelheim.
1970: DFB öffnet sich dem „Damenfußball“
Nur langsam löste sich der Widerstand beim DFB. Am 15. April 1961 erklärte der Beirat des Verbandes, „Damenfußball künftig nicht mehr so groß anzugreifen“. Immerhin, das war ein erster Schritt. Zwischenzeitlich waren die privat organisierten Spiele, in denen es den Organisatoren vor allem um einen kommerziellen Erfolg ging, weitestgehend eingeschlafen. Anfang der 1960er-Jahre brach der Niedersächsische Fußball-Verband dann mit einem weiteren Tabu und bot erstmals Fußball-Lehrgänge für angehende Lehrerinnen an. Auch das war allerdings kein konkreter Akt der Gleichberechtigung. „Wir wollen keinen Damenfußball auf die Beine bringen“, hieß es in einer offiziellen Stellungnahme des Verbandes: „Wir unterweisen in Technik und Taktik, Regelkunde und in der Praxis. Die Studentinnen sollen keine Fußball-Rastelli werden, sie spielen auch nicht in Mannschaften, sondern es würde uns freuen, wenn wir ihnen so viel mit auf den Weg geben würden, dass sie die Spiele der Jungen mit etwas Sachkenntnis leiten würden.“ Übersetzt: Frauen sollen weiterhin nicht selbst Fußball spielen, durften es Jungs und Männern aber durchaus beibringen.
Es brauchte den Liberalisierungs- und Modernisierungsprozess der ausklingenden 1960er-Jahre, um den Frauenfußball endlich aus der Verbotszone zu führen. Der gesellschaftliche und öffentliche Druck stieg immer mehr an, und auch in den DFB-Landesverbänden wuchs der Unmut. Schätzungsweise 60.000 „illegal“ fußballspielende Mädchen und Frauen zählte man Ende der 1960er-Jahre, und selbst einige Bundesligisten hatten sich inzwischen den Frauen geöffnet. Beim FC Bayern gab es eine Abteilung mit 50 Spielerinnen, in Kaiserslautern wurden vor Bundesligaspielen mehrfach Frauenspiele ausgetragen. Am 15. November 1969 kündigte DFB-Pressesprecher Wilfried Gerhard an, „dass der Standpunkt unseres Verbandes, der Frauenfußball als Wettkampf ablehnt, in einiger Zeit revidiert wird“.
Am 30. Oktober 1970 war soweit, stimmten die (ausschließlich männlichen) Delegierten beim Bundestag in Travemünde mit 143 Ja und zwei Nein-Stimmen dafür, auch Frauen unter der Obhut des DFB das Fußballspielen zu erlauben. Am selben Tag standen sich in Köln übrigens eine deutsche und eine italienische Auswahl in einem weiteren Frauenländerspiel gegenüber …
Die Öffnung der DFB-Herren für den „Damenfußball“, wie es verbandsseitig hieß, hatte einen konkreten Hintergrund, denn dem Fußballbund drohte die Kontrolle zu entgleiten. Zum einen sah man die Gefahr, dass sich die Fußballfrauen dem Deutschen Turnerbund (DTB) anschließen könnten, zum anderen drohte die Gründung eines eigenständigen Frauenfußballverbandes, dem ± im Vergleich zu den gescheiterten Versuchen der 1950er-Jahre ± berechtigte Chancen eingeräumt wurden. In Italien und England war es bereits zur Gründung derartiger Organisationen gekommen. Die Öffnung diente also vor allem der Schadensbegrenzung. Nichtsdestotrotz reklamierte der DFB umgehend die Deutungshoheit über seine neue Sparte. Frauen durften nur 2 x 30 Minuten spielen (erst seit 1993 gelten 2 x 45 Minuten), mussten einen Jugendball benutzen und hatten eine halbjährige Winterpause einzuhalten. Zudem sollte ein Brustpanzer verpflichtend werden, durften keine Stollenschuhe getragen werden. So sieht es aus, wenn Männer sich um Frauen kümmern …
Maria Nelles/Breuer, Torfrau beim SC 07 Bad Neuenahr, einem der damals führenden Vereine im Frauenfußball, sagte rückblickend: „Es war uns schon klar, dass die den Frauenfußball nur zulassen, weil sie uns so unter Kontrolle halten wollten. Es gab vom DFB selbst in den Anfangsjahren keine ernsthaften Bestrebungen, unseren Sport zu fördern. Einzig einige Landesverbände wie der Fußballverband Rheinland waren deutlich weltoffener und halfen uns weiter.“ Immerhin aber war der Weg zu einem offiziellen Spielbetrieb frei, und nachdem der DFB am 30. Oktober 1971 auch grünes Licht für die Durchführung von Meisterschaftsspielen auf Landesebene gegeben hatte, konnte mit dem Aufbau von Spielklassen und vor allem der Nachwuchsarbeit begonnen werden. Denn viele Frauen der ersten Stunde kamen aus der Leichtathletik oder dem Handball und betrieben Fußball lediglich aus Freude oder als Ergänzungsdisziplin ± es galt also, Basisarbeit zu leisten.
Meisterschaft, Nationalelf, EM-Sieg - der Weg zur Anerkennung
Das gelang. 1973 gehörten dem DFB bereits 134.590 Fußballerinnen in 2.031 Mannschaften bzw. 1.788 Vereinen an, und am 8. September 1974 sicherte sich der TuS Wörrstadt mit einem 4:0-Sieg über Eintracht Erle die erste offizielle Deutsche Meisterschaft im Frauenfußball. Ein Jahr zuvor hatte Wörrstadt im noch inoffiziellen Finale um den „Goldpokal“ bereits mit 3:1 über Bayern München gewonnen. Auch die Bereitschaft des DFB für eine Deutsche Meisterschaft hatte es übrigens nur zähneknirschend gegeben. Zwar unterstützte Horst Schmidt, Leiter des Spielbetriebes im DFB, die Fußballfrauen grundsätzlich, es bedurfte jedoch sanften Drucks. Den übte Fips Scheidt aus, Präsident des TuS Wörrstadt und Eisenbahndirektor bei der Bundesbahn in Frankfurt, indem er mit der „Bild“-Zeitung vereinbarte, im Falle der Weigerung des DFB die Schlagzeile „Der DFB verbietet Damen-Fußball“ auf der Titelseite zu bringen. Scheidt: „Das wollten die Herren im Verband dann doch vermeiden und ließen uns gewähren.“ Beim inoffiziellen 1973er-Endspiel war mit Hans Deckert sogar ein DFB-Gesandter vor Ort, der ankündigte, 1974 anlässlich der Männer-WM in Deutschland erstmals offiziell um einen Frauenmeister spielen lassen zu wollen.
Neben TuS Wörrstadt dominierte in den ersten Jahren der bereits erwähnte SC 07 Bad Neuenahr den Frauen-Spitzenfußball ± die aufgeschlossene Haltung des Fußballverbandes Südwest zahlte sich also in Erfolgen aus. Mit Heinz-Günter Hansen, Bezirksstellenleiter von Toto-Lotto Rheinland, verfügten auch die Rot-Schwarzen über eine visionäre Kraft, der sich ± gemeinsam mit dem Wörrstadter Scheidt ± vehement für den Frauenfußball einsetzte. Bad Neuenahr war zudem Deutschlands Vorreiter auf internationalem Terrain. Im Juli 1970 reisten die Neuenahrer Fußballfrauen ins italienische Salerno, wo Spirituosenhersteller Martini & Rossi die erste privat organisierte Frauen-Fußball-WM durchführte. Italien war damals das einzige Land, das eine landesweit organisierte Frauen-Liga betrieb, und 1969 war dort mit der Federazione Internazionale Europeo di Football Feminile auch ein europäischer Frauenfußballverband entstanden. Wie zuvor der DFB geriet dadurch die UEFA unter Zugzwang, und noch im selben Jahr ermunterte der europäische Fußballverband seine Mitgliederverbände, die Kontrolle über den Frauenfußball zu übernehmen. „Wenn schon die Ansicht noch oft vertreten wird, dass trotz der Emanzipation der Frau gerade Fußball als Frauensport wenig geeignet scheint, beweist das wachsende Interesse der Frauen aus den verschiedenen Lebensbereichen und Kulturkreisen das Gegenteil“, heißt es schwülstig in einer Verbandsmitteilung aus dem Oktober 1971.
Der Weg blieb aber noch lange steinig. 1977 kam der Frauenfußball beim DFB endlich in Frauenhände, als die Hamburgerin Hannelore Ratzeburg und die Weißenburgerin Christel Rother die Verantwortung übernahmen. Erst 1995 rückte mit Ratzeburg dann eine Frau in den DFB-Vorstand auf ± 25 Jahre nach „Freigabe“ des Frauenfußballs durch den Verband. Im Jahr 2019 ist sie noch immer die einzige Frau im DFB-Präsidium.
Für den Aufbau einer Frauen-Nationalmannschaft wurde 1982 ein Mann berufen ± das allerdings zwangsläufig, da es noch keine ausgebildeten Frauen gab (Tina Theune sollte 1985 die erste Frau mit Trainerlizenz werden). Gero Bisanz, damals für den DFB in der Trainerausbildung tätig: „Anfang der 1980er-Jahre meinte der damalige Bundestrainer Jupp Derwall im Gespräch mit mir, ich hätte doch zurzeit keine Mannschaft zu betreuen. Und das DFB-Präsidium wolle, dass ich eine Frauen-Nationalmannschaft aufbaue. Würde ich mir damit nicht meinen Namen kaputtmachen? Und was würde meine eigene Frau dazu sagen?“ Am 10. November 1982 trat Bisanz erstmals mit seinen Schützlingen in die Öffentlichkeit und feierte in Koblenz vor 5.000 Zuschauern einen 5:1-Sieg über die Schweiz.
Seinen gesellschaftlichen Durchbruch schaffte Frauenfußball 1989 bei der Europameisterschaft in Deutschland, als sich das Team mit einem 4:1-Finalsieg über Norwegen den ersten internationalen Titel sicherte. Entscheidender war der Halbfinalthriller gegen Italien gewesen. Es war das erste Frauenländerspiel, das live im Fernsehen übertragen wurde. Und weil die Partie ins Elfmeterschießen ging, schalteten in der Schlussphase viele Menschen ein, die eigentlich etwas anderes sehen wollten, durch die Spannung aber hängenblieben. Gero Bisanz: „Die Multiplikationswirkung für den Unterbau war jetzt gegeben. Mütter hatten von nun an viel weniger Bedenken, Töchter zum Fußballspielen zu schicken.“
Die Zukunft konnte beginnen.
Dieser Text stammt aus Ausgabe #14
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