ZEITSPIEL weekly
25.7.2023
Die Frauen, ihre Weltmeisterschaft und der Jochen
Von Johannes Brattke
Es ist wieder Fußball-Weltmeisterschaft. Dieses Mal politisch unproblematisch, da die ausrichtenden Länder Australien und Neuseeland sind (in beiden Staaten wird der Umgang mit den Natives in früheren Zeiten aufgearbeitet – das nur als Randnotiz, denn gänzlich unproblematisch ist es wahrscheinlich nirgends). Die Spiele finden wieder im Winter statt – zumindest ist der in den beiden Gastgeberländern zurzeit. Auch die Anzahl der teilnehmenden Teams ist gleich, es sind 32. Und auch der offizielle Name des Turniers kommt nicht ohne ein FIFA am Anfang und ein ™ am Ende aus.
Die beiden großen Unterschiede sind: Zum einen die Anstoßzeiten. Die ersten Spiele beginnen 2 Uhr nachts, die letzten 14 Uhr, was auch der Tatsache geschuldet ist, dass die Spielorte in vier verschiedenen Zeitzonen liegen.
Zum anderen: die Frauen spielen. Allein diese Tatsache löst bei einigen Menschen Schnappatmung und reflexhaftes Schlechtmachen aus. Oft passiert dann auch genau das, was den Anfang dieses Textes bildete: Es wird verglichen, mit den Männern, die Fußball spielen.
Zumindest, wenn es um das Spiel als solches geht. Irgend ein Jochen weiß dann immer ganz genau, dass Frauen ja viel langsamer und technisch nicht so stark, und überhaupt sind. Danke für deinen Beitrag, Jochen. Darf ich dich kurz fragen, wann du das letzte Mal ein Fußballspiel gesehen hast, bei dem Frauen gegen den Ball getreten haben? Falls es überhaupt jemals passiert ist, muss es schon einige Zeit her sein. Menschen wie Jochen würden sich allerdings auch keine Spiele der aktuellen WM anschauen – haben aber natürlich eine Meinung dazu (keine gute, natürlich).
Vor kurzer Zeit wurde eine Studie veröffentlicht, in der die Wahrnehmung des Spiels untersucht wurde. Den Probandinnen und Probanden wurden Spielszenen gezeigt, in denen die spielenden Personen anonymisiert wurden, so dass nicht zu erkennen war, ob ein Mann oder eine Frau gerade den Übersteiger oder das Tackling macht oder das Tor schießt. Das Ergebnis: Die Qualität der Spielszenen wurde gleich gut bewertet. Schockschwerenot, Jochen! In eine ähnliche Kerbe schlägt ein Werbeclip, den ein Sponsor des französischen Verbandes zur WM produziert hat, und der mittlerweile ein viraler Hit ist. HIer werden großartige Spielszenen und Tore von Griezmann und Mbappé gezeigt. Dann die Auflösung: Die beiden wurden in diesen Ausschnitten digital über die Körper französischer Nationalspielerinnen gelegt, die eigentlich diese großartigen Fußballmomente kreiert haben. Jochen, wie geht es dir damit?
Im Moment des Entstehens dieses Textes, läuft auf dem zweiten Bildschirm der erste Auftritt des deutschen Teams um Kapitänin Alexandra Popp (hat schon zwei Tore geschossen). Sicherlich gibt es bei der WM auch Spiele, die kein fußballerischer Leckerbissen sind. Aber Jochen, das langweilige 0:0 zwischen Dänemark und Tunesien letzten Winter, das war auch keins. So ist das nun mal, egal, wer die WM spielt.
Ich werde so viele WM-Spiele schauen, wie es für mich passt. Morgens um 8 Uhr Fußball ist auch mal eine neue Erfahrung. Kaffeepott statt Bierflasche! Und du Jochen, du musst es ja nicht tun, niemand schreibt es dir vor. Halt dich dann aber bitte auch in deinem Urteil zurück. Aber wenn du mal Bock auf guten Fußball hast, dann schalt den Fernseher ein und guck die WM. Du wirst dich wundern: Die Frauen bleiben nach einem Foul nicht so theatralisch liegen, wie Neymar. Und wenn du ehrlich bist, wirst du dir eingestehen können, dass du guten Fußball siehst, egal, ob da eine Frau oder ein Mann auf dem Platz steht. Und ganz, ganz vielleicht, traust du dich ja sogar mal ins Stadion. Ich empfange dich gern bei Turbine Potsdam. Meinungen können sich ändern, und wenn du offen bist und nicht dauernd feststellen musst, dass das ja alles ganz anders ist, als bei den Männern, dann, lieber Jochen, lade ich dich auch gern auf ein Bier ein.