ZEITSPIEL weekly

27.3.2023

Aufstand im Unterbau


Von Hardy Grüne 

 

Länderspielpause. Gelegenheit für den unterklassigen Fußball, sich ins Rampenlicht zu stellen. In England gab es mal wieder den „Tag der Amateure“, der sich in Deutschland trotz mehrerer Anläufe leider noch immer nicht etabliert hat. Dabei wäre es eine prächtige Gelegenheit, das begrenzte Interesse an den Auftritt der DFB-Auswahl gegen Peru oder Belgien durch die zahlreichen Alternativen im Unterbau zu ersetzen.

Dort ist auch abseits der Spielfelder einiges in Bewegung. In Unterhaching beispielsweise hat man sich völlig mit der Gemeinde überworfen. Vier Millionen will die Spielvereinigung Unterhaching für das Sportpark-Gelände an die finanzklamme Gemeinde zahlen. Um das zu refinanzieren, wollte man das Football-Team Munich Ravens mit ins Boot holen. Doch die Gemeinde, traditionell ein bisschen skeptisch gegenüber den Profifußballern, fühlte sich hintergangen und kündigte den Pachtvertrag. Nun gibt es eine Hängepartie mit offenem Ausgang - und das ausgerechnet um einen Klub, der traditionell zu den besonnener wirtschaftenden im Lande zählt. Fortsetzung folgt. 

Das Geld nicht alles ist, beweisen die beiden Westfalen-Shootingstars 1. FC Kaan-Marienborn und TuS Bövinghausen. Sowohl in der Siegener Vorstadt als auch im Dortmunder Stadtteil hat man kräftig in Beine und wenig in Steine investiert. Nun kommt die Rechnung. Die Stadionauflagen für Viertligisten wurden drastisch verschärft. Jeder Regionalligist muss ein festes Stadion vorweisen, ab 2025 sind überdachte Sitzplätze Pflicht. Das kann man für die vierte Liga mit ihrem überschaubaren Zuschauerpotenzial und nur gelegentlichen sogenannten „Risikospielen“ als überzogen empfinden, es sind aber nun mal die Regeln, die für alle gelten.

In Kaan-Marienborn gibt man sich dennoch eingeschnappt und schiebt dem Verband nonchalant die Verantwortung zu, dass die Mannschaft zur kommenden Saison vermutlich gleich in die Kreisliga zurückgezogen wird. Das ist jedoch zu kurz gedacht, denn wer höherklassig Fußball spielen will, muss sich eben auch um die Infrastruktur kümmern. Erinnern wir uns an Türkgücü München, diesen Spielerdurchlauferhitzer, der sich weder um Spielstätte noch um Nachwuchs kümmerte sondern sein Geld haufenweise abgetakelten Profis in den Allerwertesten schob. Damit trickste man ein paar Jahre lang die Konkurrenz in Bayern aus, ging dann in der 3. Liga krachend pleite - und meldete jetzt schon wieder für die 3. Liga, ohne irgendwas geklärt zu haben. Kevin-Großkreutz-Klub TuS Bövinghausen will im Falle des Aufstiegs übrigens in Hagen spielen. Da wird das altehrwürdige Ischelandstadion sicher aus allen Nähten platzen, wenn der selbsternannte Shootingstar zum Heimspiel bittet.

 

Die 3. Liga ging nicht in die Länderspielpause, und sie hat eines der wohl turbulentesten Wochenenden hinter sich. Im Abstiegskampf gab es gehörig Aufruhr. Bayreuth gewinnt sensationell mit 2:1 bei Dynamo Dresden. Die mitgereisten Fans der Oldschddod konnten ihr Glück kaum fassen, eine Woche nach dem tragischen Last-Minute-K.-O. im Abstiegsthriller gegen den VfB Oldenburg ausgerechnet beim überragenden Rückrundenteam die Hoffnung auf den Klassenerhalt wieder zu nähren. Auch in Zwickau (2:0 gegen Ingolstadt) und Meppen (3:2 gegen Aue) gab es Hoffnungsschimmer im Abstiegskampf. Zugleich aber auch Ärger, denn dass die Ultras des SV Meppen vor dem Spiel mit „Kein Wille, keine Leidenschaft, kein Support!!“ zum Boykott aufriefen, erzürnte SVM-Stürmer Marvin Pourié, der in der 87. Minute das erlösende 3:2 für die kriselnden Emsländer markierte: „Wenn man schon meint, hinter dem Verein zu stehen und dann vorher schon Banner aufhängt, dass man nicht für den Trainer oder die Mannschaft oder Funktionäre singt, sondern für den Verein, dann tut es mir leid. Dann können sie beim nächsten Heimspiel auch wegbleiben“, teilte er in der „NOZ“ kräftig aus. Auch Kapitän David Blacha war not amused: „Wir haben es gesehen, aber wir haben unseren Job zu machen. Das ist genau das, was die Fans von uns fordern. Wenn das die Reaktion ist, mit der sie uns ein Zeichen setzen wollen, dann ist das schade. Ich glaube, in solchen Situationen braucht man die Fans mehr denn je."

 

Diskussion um Fans gab es auch nach dem Spiel zwischen dem TSV 1860 und der zweiten Garnitur von Borussia Dortmund, die mit einem 4:1-Sieg an der Grünwalder Straße ebenfalls ein Signal im Abstiegskampf setzte. Als BVB-Fan und -Mitarbeiter Jan-Henrik „Janni“ Gruszecky auf Twitter ein paar Videoeindrücke vom mitgereisten BVB-Fanblock postete und „herrlich“ darüber schrieb, gab es unmissverständliche Kommentare. „Das hier ist das hochgezüchtete und doch relativ sinnlose Zweitprojekt einer KGaA“, „Zwote raus aus Liga 3 und Ligen 4“ oder „Klassischer ‚Fußballromantiker‘“, warfen die Frage auf, wie es eigentlich um die Fankultur einer „Zwoten“ steht. Ist das Luxus? Mangelnde Solidarität mit "echten" Vereinen? Während sich die Follower der mit gleich zwei Topteams beglückten schwarzgelben  Kommanditgesellschaft auf Aktien  davon nicht irritieren ließen, war bei 1860, übrigens ebenfalls eine KGaA, nach der Pleite gehörig Druck im Fankessel. Nach dem 1:4 mit drei Gegentreffern binnen zwölf Minuten stellten die Löwen-Fans ihr Team zur Rede. Dass dazu wiederum die Aufforderung an die Spieler gehörte, ihre Trikots abzugeben, irritiert allerdings. Was hat das mit "Protest" zu tun und wo genau beginnt da eigentlich „Jersey abzocken“?