KLARTEXT
Onkel Käthe
Von Bernd Sautter
(6. April 2023)
Seit dem Wochenende eine gerichtsfeste Tatsache: Du kannst nicht gendern, ohne dass Dir politisches Sendungsbewusstsein unterstellt werden kann. Ob zu Recht oder zu Unrecht, ist unerheblich. In einem Urteil über das Gendern an Schulen hat 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin aber auch festgestellt: Du kannst auch nicht Nicht-Gendern ohne politisches Sendungsbewusstsein zum Ausdruck zu bringen. Wäre es um Fußball gegangen könnte man in diesem Sinne weiter machen: Du kannst Dich nicht in Interviews gegen einen unterschwelligen Genderzwang aussprechen (den es im übrigen gar nicht gibt), ohne dass Dir zu Recht politisches Sendungsbewusstsein unterstellt wird. Schon gar nicht als DFB-Sportdirektor.
Dem Tante Käthe darf man also mit Fug und Recht Absicht unterstellen, als er für seine Person gegen das Mitmeinen anderer Geschlechter ausgesprochen hatte, in einem aufschlussreichen Interview in der Frankfurter Rundschau. Hatte ihn niemand danach gefragt. Auch nicht nach seiner Meinung zu Klimaklebern. Er wollte dazu etwas sagen. Gut so! Endlich mal kein glattgeschliffener PR-Sprech. Stattdessen herzliche Offenheit der Meinung. Da er in seiner Funktion als DFB-Sportdirektor interviewt wurde, darf man durchaus die neue Linie des DFB ablesen. Es ist die uralte: Gegen gesellschaftlichen Wandel. Gegen Veränderung. Lasst uns endlich Fußball spielen. Muss wohl erlaubt sein ohne Politik. Wie das gesellschaftlich zu laufen hat, definiert schließlich Rudi Völler mit seinem gesunden Menschenverstand.
Das Völler-Interview gibt die Richtung vor: eine Weichenstellung für die anstehende Europameisterschaft. Endlich wieder national. „Die Mannschaft“ wurde wieder ergänzt. Das nationale Element steht wieder davor. Der Verband hat die Kritik am alten Slogan ernst genommen. Nicht den Teil mit der Kommerzialisierung und Entfremdung. Aber den Teil mit den Farben. Kapitänsbinden mit gesellschaftlichen Botschaften sind nicht das Ding von Tante Käthe. Schwarz-Rot-Gold soll es sein. Die Nationalfarben gelten als unverfänglicher. Da kommt das Politische nicht so ins Spiel. Dazu nochmal Völler in besagtem Interview: „Aber irgendwann ist es dann auch mal gut. Es gibt ja auch noch ein paar andere Themen.“ Zum Beispiel den Klimawandel. Verzeihung… die Klimakleber. Aber wir wollen nicht abschweifen.
In der Konzentration aufs Wesentliche im Fußball erledigt Rudi Völler seinen Job exakt im Sinne des Verbandes. Aus diesem Grund wurde er von der Taskforce nominiert. Vielfältig besetzt war das Gremium nicht. Watzke, Rummenigge, Kahn, Mintzlaff, Neuendorf und Völler empfahlen ebenso einstimmig wie einfältig: Rudi Völler soll es machen. Seine Vielfältigkeit lebt der Verband an anderen Stellen aus. Nicht in Handlungen oder Stellenbesetzungen. Eher in Lippenbekenntnissen: So bekannte sich neulich DFB-Präsident Neuendorf dazu, „dass mehr Frauen in diese Gremien gehören.“ Er meint dabei natürlich nicht die eigenen, sondern FIFA und UEFA. Daran, dass der DFB selbst eine Frau entsenden könnte, dachte er offenbar nicht Und das obwohl er durchaus eine chancenreiche Person in seinem Umfeld zur Verfügung stände: Tante Käthe.
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