KLARTEXT

Hasardeure und Hochstapler

Dietrich Schulze-Marmeling


(7. Oktober 2024)  

  

In der Oberliga Westfalen liegt der TuS Bövinghausen bei der U23 des SC Preußen Münster nach 45 Minuten mit 0:8 zurück – und tritt zum zweiten Durchgang nicht mehr an.

Der Klub, dessen in Sachen Kaderbildung komplett ahnungsloser Boss stets stark auf alternde „Ex“-Profis setzte, ist insolvent. Und der Boss wurde vor wenigen Monaten wegen Steuerhinterziehung und des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt als erster Vorsitzender beziehungsweise erster Geschäftsführer des TuS Bövinghausen verurteilt. Das Amtsgericht Dortmund hatte ihn bereits 2014 wegen Betrugs im besonders schweren Fall zu einer 15-monatigen Freiheitsstrafe, ausgesetzt für drei Jahre zur Bewährung, verurteilt.

Dass Bövinghausen diese Saison nicht „ordnungsgemäß“ bestreiten kann, war schon vor deren Anpfiff bekannt. In der Saison 2022/23 wollte Bövinghausen mit Kevin Großkreutz als Oberligaaufsteiger in die Regionalliga durchmarschieren, landete aber in der Endabrechnung nur auf Platz 5 – dank einer schwachen Rückrunde, bei der einige der teuren Akteure wohl nicht mehr dabei waren. Schon damals war von ausstehenden Zahlungen die Rede etc. Vielleicht hatten einige Akteure auch keinen Bock mehr, als das Saisonziel aus den Augen geriet.

In der Saison 2023/24 wollte der Boss ein weiteres Mal angreifen. Als im Herbst klar war, dass der Aufstieg nicht zu realisieren ist, wurden die teuren Akteure weggeschickt. Fortan kickte eine andere Mannschaft. Am Ende gelang nur knapp der Klassenerhalt.

Vor einigen Jahren wurde die IG Bönen mit großem Vorsprung Meister in der Landesliga. Dank eines sündhaft teuren Kaders, der sich finanziell auf einem höheren Oberliganiveau bewegte. Schon zur Winterpause der Aufstiegssaison und nach einem Besuch der Zollfahndung bei den Mäzenen war bekannt, dass das mit der Westfalenliga nichts werden würde. Trotzdem durfte die IG einem seriös arbeitenden Verein den Aufstiegsplatz wegnehmen. In der Westfalenliga bestritt die IG nicht ein Spiel…

Derweil wird darüber spekuliert, wann sich der Aufsteiger Türkspor Dortmund aus der Regionalliga zurückzieht. 2023/24 war Türkspor in der Oberliga Vizemeister geworden – vor dem soliden Lokalrivalen ASC. Am vergangenen Wochenende wurde das Heimspiel gegen Fortuna Köln abgesagt, weil die Miete der Arena in Velbert zu teuer sei. Wusste man natürlich nicht vor dem Start in die Saison…Hätte Türkspor die Begegnung auch dann abgesagt, wenn der Klub nicht seine letzten beiden Begegnungen hoch verloren hätte? Die Mannschaft kassierte jeweils sieben Gegentore. Auch bei Türkspor ist von ausstehenden Zahlungen und Spielerstreiks die Rede.

Vielleicht sollte der Verband mal über eine Art von Lizensierung auch für den höherklassigen „Amateur“fußball nachdenken, um den Hasardeuren und Hochstaplern das Handwerk zu legen und die von ihnen betrieben Wettbewerbsverzerrung einzudämmen. 50 plus 1 existiert bei den "Amateuren" ohnehin nicht. Es gibt überhaupt keinen Grund, den „Amateur“fußball zu verklären – die Verwerfungen sind hier nicht weniger als im Profifußball. Nur noch dilettantischer.

Es ist einfach ärgerlich, wenn schon vor dem Saisonstart so ziemlich jeder weiß, wohin die Reise der Bövinghausens geht – und trotzdem wird diesen Klubs gestattet, seriös arbeitenden Konkurrenten Ligaplätze wegzunehmen. Vielleicht sollte man von Klubs, die ein irres Geld für „Ex“-Profis hinlegen, bei denen man aber den Verdacht hegt, dass sie ihre expansive Ausgabenpolitik nicht durchhalten können, vor dem Saisonstart eine Kaution verlangen. Rückzahlbar nur bei Aufrechterhaltung des Spielbetriebs. Erst recht dann, wenn der Boss in der vergangenen Saison wegen Steuerhinterziehung und Vorenthaltens von Arbeitsentgeld verurteilt wurde. Hier wäre eigentlich ein Funktionsverbot angesagt.

Sowie einen soliden Unterbau, der garantiert, dass der Spielbetrieb auch dann noch weitergeht, wenn das Geld für die „Erste“ ausbleibt. Beim TuS Bövinghausen existiert ein solcher überhaupt nicht, bei Türkspor nur rudimentär und unterklassig. Die Homepage des TuS ist leer, der letzte Eintrag (Spielankündigung) datiert vom März 2024…Und die von Türkspor ist derzeit nicht erreichbar.

ZEITSPEL-Ausgabe #36.
Tschechien. Groundhoppers Dream

Tschechien ist ein kleines Land voller dichter Fußballgeschichte und mit unzähligen historischen Stadien und Sportplätzen. Manchmal scheint regelrecht die Zeit stehengeblieben zu sein, und mitten drin liegt Prag - einer der einflussreichsten Fußballorte Zentraleuropas und ohnehin immer eine Reise wert. Tschechien ist (nicht nur) „Groundhoppers Dream“!