Gedanken zum Spiel
Eine Kolumne von Harald Lange
Harald Lange ist Professor für Sportwissenschaften und leitet das sportwissenschaftliche Institut der Uni Würzburg. Er beobachtet seit vielen Jahren den Fußball, die Entwicklung der Fanszene und die gesellschaftliche Rolle des Sports. Für ZEITSPIEL beschäftigt er sich in der Kolumne "Gedanken zum Spiel" unregelmäßig-regelmäßig mit aktuellen Themen aus der Welt des Fußballs
Wie fördern wir den Nachwuchs?
Zum Denkfehler und Strukturproblem der Nachwuchsleistungszentren
22. August 2023
Im Deutschen Fußball existiert ein recht verlässlicher Reflex: Immer dann, wenn die A-Nationalmannschaft der Männer schlechte Spiele abliefert oder sogar ganze Turniere vergeigt, wird die Aufmerksamkeit auf die Talentsuche und die Nachwuchsarbeit gerichtet. Solange dieser Reflex lediglich der Misserfolgsverarbeitung in der enttäuschten Fußballöffentlichkeit dient, richtet er keinen Schaden an. Wenn allerdings voreilige Schlüsse und Konsequenzen für die Neuausrichtung der Strukturen und Schwerpunkte in der Nachwuchsarbeit gezogen werden, könnte der Reformeifer geradewegs in die nächste Fehlplanung der Talentförderung münden.
Im folgenden Text werfe ich einen kritischen Blick auf die Struktur und das System der Nachwuchsarbeit im DFB und der Nachwuchsleistungszentren. Die Analyse der zurückliegenden 20 Jahre systematischer und zentral gedachter Nachwuchsarbeit zeigt recht deutlich, dass es dabei immer zuerst um den Fußball der Profis und erst in zweiter oder dritter Priorität um die Kinder und Jugendlichen und deren Freude am Spiel, aber auch deren Entwicklung und Persönlichkeitsbildung ging.
So viel vorab: Ich rate es genau anders herum zu organisieren.
Am Beginn jeder Nachwuchsreform steht deshalb immer dieser „Reflex“
Der einleitend skizzierte Reflex auf schlecht performende Nationalmannschaften wirkt in diesen Tagen besonders dramatisch. Nach dem blamablen Auftritt der Nationalmannschaft bei der WM in Katar, dem frühen Ausscheiden des U21-Teams bei der Europameisterschaft und dem unerwarteten Vorrunden-Aus der Frauen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft ist die Ratlosigkeit im Trainerstab des DFB, aber auch in der Öffentlichkeit, besonders groß.
Deshalb wird die Nachwuchsarbeit, insbesondere im Feld der Nachwuchsleistungszentren (NLZ) ganz grundlegend in Frage gestellt. Die Kritik setzt auf der Persönlichkeitsebene der Talente an. Im öffentlichen Diskurs werden bei den Nachwuchsspielern, die im Grunde niemand kennt, allen Ernstes Charaktereigenschaften vermisst, deren vermeintliches Fehlen bei den aktuellen A-Nationalspielern diagnostiziert wurde. Das ist zwar vollends weltfremd, entspricht aber dem reflexartig gesteuerten Reformeifer im Deutschen Fußball.
Den Spielern mangelt es angeblich an Individualität, Mut, Kreativität, Verantwortung und Einzigartigkeit. Die ausgebildeten Spieler sind alle uniform und berechenbar. Künftige Welt- und Europameister brauchen das Gegenteil. Doch wo kommen solche Persönlichkeiten her? Wird in den kommenden Wochen und Monaten von den Hausexperten des DFB erneut ein Konzept aus dem Hut gezaubert und dem gesamten Fußball-Land übergestülpt? Oder lassen wir uns diesmal etwas mehr Zeit? Zeit zum Nachdenken, Analysieren und Vergleichen? Vielleicht existiert ja bereits irgendwo im Land eine ernstzunehmende Alternative zur DFB-Akademie? Ein Thinktank aus dem heraus Visionen, Ideen und Konzepte für die Zukunft des Fußballs erwachsen, die in der Umsetzung dann auch Erfolg nach sich ziehen.
In diesem Sinne wäre mein erster Vorschlag, die Arbeit in den NLZ zunächst einmal genau und unabhängig in den Blick zu nehmen und auszuwerten. Dabei ist auch zu prüfen was die Trainer dort machen, welche Beiträge zur Persönlichkeitsbildung geleistet werden und vor allem, welche Ideen und Reformvorschläge für die Gestaltung der Zukunft aus dem Kreise der zahlreichen Trainer kommen.
Ein erster Impuls
Persönlichkeit bildet sich in freien Strukturen aus! Deshalb denke ich, dass es sinnvoll wäre, wenn Jugendtrainer und Leistungszentren künftig viel mehr Freiheiten bekommen würden, man den fachlichen Austausch ankurbelt und nicht alle wieder dasselbe DFB-Konzept umsetzen müssen.
Schließlich existieren ja auch unterschiedliche Ideen zur Zukunft des Nachwuchsfußballs, die in der Praxis konkurrieren und sich bewähren sollten, um aus dem Wettkampf der besten Ideen den Unterschied in Richtung Weltklasse herausfiltern zu können. Außerdem liegen seit vielen Jahren Ergebnisse und Studien aus der Talentforschung und Sportwissenschaft vor, deren Aussagen jahrelang ignoriert wurden. Diese Befunde sollten wir genauso für ernst nehmen, wie die pädagogischen Konsequenzen, die sich ergeben würden, wenn wir tatsächlich Individualität, Kreativität und Persönlichkeitsbildung ins Zentrum der Jugendarbeit rücken sollten. Letzteres wäre im Vergleich zur bisher umgesetzten Konzeption ein gewaltiger Paradigmenwechsel, und der braucht glasklare trainingspädagogische Konzeptarbeit.
Jugendliche Fußballspieler sind weitaus mehr als „System-Output“
DFB und DFL haben sich im Lichte der aufkommenden Krise der Nationalmannschaften längst bewegt und vor wenigen Wochen eine Reform der Junioren Bundesligen vorgestellt. Dieser Schritt wurde mit den Ergebnissen einer Auftragsstudie begründet, die von einem privaten Beratungsunternehmen (IFC – International Football Concepts GmbH) durchgeführt wurde.
Trotz der weitreichenden Änderungen für das Training und den Wettkampfbetrieb in den NLZ wurde die Studie geheim gehalten. Das einzige, was bekannt wurde ist, dass in dieser Studie die Karriereverläufe junger Fußballspieler nach dem Abgang aus dem NLZ mithilfe struktureller Daten untersucht und mit Karriereverläufen junger Fußballspieler in anderen Ländern verglichen wurden. Trainer, Eltern oder Spieler wurden nicht befragt und auch das Training, die Trainingskonzeptionen, die Belastung durch Wettkämpfe, das Coaching oder die pädagogische Begleitung der erfolgreichen und weniger erfolgreichen NLZ-Spieler wurden nicht näher analysiert. Die Güte der NLZ wurde als Qualität des Output verstanden. Ein Verfahren, wie es in der Betriebswirtschaft – beispielsweise beim Testen von Produkten - geläufig ist, das aber aus pädagogischer Sicht viele Fragen offen läßt.
Inzwischen wird die – auf den Ergebnissen dieser Studie aufbauende – Reform der Junioren Bundesliga öffentlich kritisiert (BILD: Abschaffen des Leistungsprinzips; Welt-TV: Waldorfisierung der NLZ) und von ehemaligen Nationalspielern scharf verurteilt (z.B. Basler, Hamann, Helmer). Die öffentliche Kritik ist ebenso bedauerlich wie nachvollziehbar, denn abgesehen von wenigen journalistischen Berichten (Frankfurter Rundschau; Sky Sports) und knappen Infos, die über Social Media verbreitet wurden, wissen wir nichts über die Konzeption, Methodik und die Qualität der Studienergebnisse, die als wissenschaftliche Grundlage der „Nichtabstiegsklausel“ für die NLZ-Mannschaften in der neu benannten Nachwuchsliga angeführt wird.
Die Fußballentwickler aus dem DFB verbleiben angesichts der aufkommenden Kritik stumm und zurückgezogen in ihrem Elfenbeinturm und es entsteht abermals der Eindruck, dass auch diese Reform weniger auf Erfahrungsaustausch mit der Basis oder auf evidenzbasierte und vorzeigbare Forschungsergebnisse beruht, sondern in aller erster Linie als DFB-Projekt daherkommt, das von oben nach unten einfach machtvoll durchgesetzt werden soll. Wie so oft.
Weshalb werden Studienergebnisse, die eine derart gewichtige Reform des Spielbetriebs in der Junioren-Bundesliga begründen sollen, geheim gehalten? Die komplette Studie wird selbst auf persönliche Nachfrage hin weder ausgehändigt, noch darf sie irgendwo eingesehen werden. Das ist unüblich, zumal die Ergebnisse und die daraus abgeleiteten Konsequenzen der Studie offen kommuniziert werden und zu einer grundlegenden Veränderung des Wettkampfbetrieb in den Eliteligen des Jugendbereichs geführt haben.
Die Verantwortlichen im DFB und DFL schüren damit Misstrauen. Es entsteht der Eindruck, dass entweder irgendwas mit der Studie (z.B. in Hinblick auf die Passung zur bereits eingeleiteten Reform) nicht stimmt oder aber, dass die Studie nur als PR-Instrument herhalten muss und die Reform aus ganz anderen Gründen durchgezogen werden soll.
Nachwuchsleistungszentren (NLZ)
Die Planung der heute etablierten Nachwuchsleistungszentren lief vor mehr als 20 Jahren nach einem ähnlichen Muster ab und folgte dem bekannten Reflex, denn auch damals ging der Impuls von den fehlenden Ergebnissen der A-Nationalmannschaft aus.
Der Verband sah sich und die Liga in der Verantwortung, die Dinge künftig selbst, lückenlos kontrollierend und flächendeckend in die Hand zu nehmen. Man entschied sich für ein zentralistisches Modell und war felsenfest davon überzeugt, mithilfe der beim DFB versammelten Expertise das beste Ausbildungskonzept für alle Kinder im Land entwickeln zu können.
Heute wissen wir, dass dieses Vorgehen eine Kombination aus Fehleinschätzung und Selbstüberschätzung gewesen ist. Möglicherweise haben wir deshalb aktuell keinen sogenannten „Stoßstürmer“ (echten Neuner) und keine überragenden Außenverteidiger mehr. Bezeichnenderweise hat Jamal Musiala seine Jugend in einem NLZ in England verbracht und durfte dort dribbeln lernen. In Deutschland hätte man dieses Talent wohlmöglich verkümmern lassen.
Kurskorrektur ab 2018
Derartige Einsichten kamen erstmals 2018 (nach dem frühen Ausscheiden bei der WM in Russland) aus dem Umfeld des damaligen DFB-Chefstrategen Oliver Bierhoff ans Tageslicht. Damals hatte man bemerkt, dass die Konkurrenz in anderen Ländern Europas auch in Sachen Nachwuchsförderung am DFB vorbeigezogen war. Auch deshalb wurde die bis 2019 übliche Evaluation und Zertifizierung der Nachwuchsleistungszentren durch den belgischen Dienstleister „Double Pass“ ersatzlos gestrichen.
Nach zwölf Jahren externer Prüfung, in deren Verlauf jedes NLZ mindestens alle drei Jahre einen differenzierten und aus mehr als 700 Punkten bestehenden Nachwuchs-TÜV absolvieren musste, wurden die Klubs auf einen Schlag von jeder externen Kontrolle befreit. In dieser Zeit nahmen auch die Planungen der großen DFB-Akademie Gestalt an und die Bierhoff-Mitarbeiter entwarfen eine Datenbank, die von den Trainern in den NLZ mit Erfahrungswerten und Spielerdaten gefüllt werden sollte und fortan als Ausgangspunkt für zukünftige Audits und Evaluationen angedacht war. Frei nach dem Motto: Wozu den Rat externe Experten einholen, wenn man die Qualitätssicherung auch selbst erledigen kann.
In gewisser Weise war dieser Schritt nachvollziehbar, denn Mitarbeiter der Agentur Double Pass hatten in der Tat großzügig Akkreditierungen und Qualitätssternchen verteilt, ohne das jemanden aufgefallen wäre, dass in der Nachwuchsförderung etwas grundlegend falsch läuft. Da jedoch die Ursachen der Fehlentwicklung dem DFB ebenfalls nicht aufgefallen waren, müssen wir es als weiteren Fehler bezeichnen, dass die Verantwortlichen in der DFB-Akademie vollends auf externe und unabhängige Kontrolle verzichtet haben.
Möglicherweise wäre es auch damals klug gewesen wenigstens den ehemaligen Nationalspielern zuzuhören. Mehmet Scholl erkannte diese Fehlentwicklung bereits 2017 und brachte seine Sicht der Dinge mit markanten Worten in seiner Radiosendung „Mehmets Schollplatten“ (BR 2) auf den Punkt: „Die Kinder dürfen sich nicht mehr im Dribbling probieren“ (…). „Stattdessen können sie 18 Systeme rückwärts laufen und furzen.“
Scholl war übrigens Spieler einer Generation unserer Nationalmannschaft, aus deren Scheitern nach der Europameisterschaft 2000 heraus der Reflex für die Erschaffung einer neuen Nachwuchskonzeption entstand. Damals war das DFB Team unter der Leitung von Erich Ribbeck als Letzter der Gruppe A bereits in der Vorrunde rausgeflogen.
Nachwuchssport als Geschäft
Die Grundidee zur Einrichtung von Nachwuchsleistungszentren und der extern organisierten Begleitung und Kontrolle durch eine Agentur war ebenso gut gemeint, wie die beabsichtigte inhaltliche Erneuerung und Fortsetzung der Kontrolle durch die zentrale DFB-Akademie in Frankfurt. Bedauerlicherweise war das System nicht daraufhin angelegt, sich weiter zu entwickeln. Das Modell ist ebenso zentralistisch wie statisch aufgebaut und folgt einer von oben nach unten ausgerichteten Planungs- und Kontrolllogik.
Dafür hatte es auf der ökonomischen Ebene eine Besonderheit. Es ist anzunehmen, dass Oliver Bierhoff und seine Leute davon ausgingen, dass sich die Investitionen in die vielen Fußball-Jugend-Akademien auch in finanzieller Hinsicht rechnen würden.
Kein Talent sollte mehr übersehen werden. Die als begabt identifizierten Kinder sollten bereits ab dem neunten Lebensjahr in den NLZ zu Fußballspezialisten herangezogen werden, so dass am Ende genügend „ausgebildete“ Spieler für die Bundesligamannschaften oder den Weiterverkauf ins Ausland und in den bezahlten Amateurbereich zur Verfügung stehen.
Da der Weg in den Profifußball für alle Kinder und Jugendlichen aus Deutschland über den Verbund zwischen den NLZ und der DFB-Akademie geplant war, haben die Initiatoren so ganz nebenbei ein Monopol für den Markt an Nachwuchsspielern geschaffen. Etwas offener zwar als bei dem Thema Trainerbildung, aber sehr eng mit dem monopolistischem DFB-Ausbildungsmarkt verbunden. Für alle Trainer und Leitungspositionen in den NLZ ist ein Ausbildungsnachweis erforderlich, der exklusiv vom DFB angeboten wird. Sogar für die Leitung eines NLZ braucht es ein spezielles DFB-Zertifikat. Das muss man in Frankfurt in einem Online Lehrgang (inklusiv zwölf Präsenztagen) für 9.800 €uro erwerben.
Auch die an diesen Plan gebundenen millionenschweren Investitionen für den Aufbau der NLZ wurden von Beginn an betriebswirtschaftlich gegengerechnet: Selbst wenn die Jungs den Sprung ins eigene Männerteam verpassen, so lassen sich einige von ihnen möglicherweise trotzdem noch mit Profit an andere Klubs weiterverkaufen. Mit Blick auf die hohen Summen, die in diesem „Geschäft“ für hoffnungsvolle Nachwuchsspieler gezahlt werden, würde mitunter ein „gut verkaufter“ Jugendlicher alle paar Jahre genügen, um den Return of Invest zu garantieren. Und genau an dieser Schnittstelle zur Ökonomie war das DFB-System weitaus schneller unterwegs, als es die Verantwortlichen damals wie heute offen eingestehen wollen.
Ernüchterndes Fazit
Für die Mehrheit der Kinder haben die Leistungszentren definitiv nichts mit planmäßiger und langfristiger Förderung zu tun, denn Forschungen von Arne Güllich und Paul Larkin belegen, dass in jedem Jahr im Bundesdurchschnitt knapp 30 Prozent der Talente eines Jahrgangs ausgetauscht werden! Von 1.000 (!) aufgenommenen Kindern fliegen 999 früher oder später aus dem System heraus und nur einer schafft es bis zu einem Profivertrag. Diese Zahlen erschrecken, denn hier spiegelt sich das Scheitern der zentral gedachten und zentral vermarkteten Idee des DFB wieder.
Mit Blick auf die vorliegenden Zahlen aus dem Feld sportwissenschaftlicher Talentforschung (Güllich & Larkin 2023) wäre es fair, wenn man wenigstens den Eltern reinen Wein einschenken würde, indem man die Aussichten auf einen Profivertrag ihrer Jungs entsprechend realistisch justiert. Schließlich gehen sowohl die Kinder, die den Sprung in ein NLZ geschafft haben, ebenso wie ihre Eltern und Freunde, davon aus, dass der Weg in die Bundesliga über die NLZ geebnet ist. Und genau deshalb nehmen die betroffenen Familien und Jungs Schulwechsel, Ortswechsel, Internate, Heimweh usw. auf sich, damit der Traum von der Bundesligakarriere nicht zerplatzen muss. Das passiert dann spätestens nach dem Verlassen der Jugendmannschaften, wenn die Fußballkarriere irgendwo im bezahlten Amateurbereich fortgesetzt wird.
Darüber hinaus werden die Kinder sogar von Spielerberatern unter Vertrag genommen, wechseln zwischen den verschiedenen Leistungszentren hin und her, um im Kleinen schon mal das große Fußballgeschäft mit Ablösesummen, Verträgen und Gehältern einzuüben. Sie verstärken dann bei einem Wechsel zu einem konkurrierenden NLZ deren Jugendmannschaft und kämpfen für das jeweilige NLZ und den betroffenen Trainer um Meistertitel, Ruhm und Ehre in einer Kinder- bzw. Jugendliga. Das System Profifußball hat sich also einen authentischen Ableger erschaffen. Es erfüllt ganz andere Funktionen als ursprünglich verkündet wurde, denn das System Profifußball wurde in seinen ökonomischen Rahmenbedingungen auf den Jugendfußball übertragen. Mit hohen Kosten für die beteiligten Kinder und Jugendlichen, denn anders als versprochen ist die Idee der Förderung und Persönlichkeitsbildung auf der Strecke geblieben.
Was wissen wir über die Wirkungen und Leistungen der NLZ?
In Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Nachwuchsförderung existieren sowohl in positiver wie auch in negativer Hinsicht zahlreiche Vorurteile, Mythen und Legenden. Gegenwärtig wird die Arbeit in den NLZ und in der Nachwuchsförderung im öffentlichen Diskurs „schlecht gemacht“.
In Hinblick auf das zentralistisch gedachte System und die Verantwortung derer, die das so ausgedacht, umgesetzt und gesteuert haben, ist die Kritik berechtigt. Gegenüber den engagierten Trainern und Eltern, die sich seit vielen Jahren für den Nachwuchs einsetzen und unschätzbar wertvolle Erfahrungen gesammelt haben, wäre die oben vorgetragene Kritik zu hart. Es wäre aber ebenso interessant wie wichtig, deren Erfahrungen bei der Neuausrichtung der Nachwuchsarbeit zu nutzen und sie aktiv in die Gestaltung der Zukunft einzubinden.
Ausblick & Empfehlung
Mein Rat an die Verantwortlichen: Versucht das Gegenteil der vor 20 Jahren eingeleiteten Nachwuchsreform und verabschiedet euch von der zentralistischen Einheitsidee. Geht in der Neukonzeption bedingungslos von den Aufgaben aus, die sich aus der Absicht der kindgemäßen Entwicklung und Persönlichkeitsbildung ergeben. Setzt deshalb im Kern auf seriöse trainingspädagogische Arbeit und den förderlichen Bezug zwischen Trainer und Nachwuchsathleten im Fußball. Dabei wird die Faszination, die vom Fußballspielen ausgeht weitaus mehr Impulse entfalten und Interesse binden als das Vorgaukeln einer für die meisten Talente unerreichbaren Profikarriere.
Quellen
Güllich A, Larkin P. (2023). Talent Identification and Talent Promotion. In: A. M. Williams, P. R. Ford, & B. Drust (eds.), Science and Soccer – developing elite performers, 4th edition (p. 363-381). New York: Routledge
Kroemer, U. im Interview mit Bonarius A. Wir arbeiten zusammen, nicht gegeneinander. https://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/78258-fussballtraining_double_pass.pdf
Müller, J.C. Nachwuchs bleibt im Flaschenhals stecken – Armutszeugnis für den deutschen Fußball. Frankfurter Rundschau vom 29. Juni 2023 https://www.fr.de/sport/fussball/dfb-krise-deutscher-fussball-armutzeugnis-befindet-sich-seit-jahren-auf-dem-92369926.html
Müller, J.C. Der DFB warnt: „Bei uns schrillen die Alarmglocken“. Frankfurter Rundschau vom 28. Juni 2023. https://www.fr.de/sport/fussball/der-dfb-warnt-bei-uns-schrillen-die-alarmglocken-92370008.html
Müller, J.C. Der Fußball-Tüv wird abgeschafft. Frankfurter Rundschau vom 9. Juli 2019. https://www.fr.de/sport/fussball/fussball-tuev-wird-abgeschafft-12781186.html
Sky Sport. Sendung vom 27. Juni 2023. Das Nachwuchsproblem im Deutschen Fußball. https://sport.sky.de/fussball/artikel/das-nachwuchsproblem-im-deutschen-fussball/12910597/34828
Sportschau.de vom 09. August 2023. Helmer findet DFB-Nachwuchsreform „grotesk“. https://www.sportschau.de/newsticker/dpa-helmer-findet-dfb-nachwuchsreform-grotesk-100.html
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