Afrika-Cup Reisetagebuch

Von Michael Stoffl

 
Vom 13. Januar bis zum 11. Februar läuft in Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) der Afrika-Cup. 24 Mannschaften spielen in sechs Stadien um die Kontinentalmeisterschaft. Für ZEITSPIEL ist Michael Stoffl vor Ort dabei und berichtet exklusiv im Reisetagebuch von seinen Erlebnissen, den Spielen und Begegnungen

FOLGE 12: Das Beste zum Schluss 

Lang waren die Gesichter nach der 0:4-Klatsche der Elfenbeinküste gegen Äquatorialguinea in der Vorrunde. Sehr lang. Nicht nur bei den Fußballbegeisterten im Lande, sondern auch bei mir. Ein frühes Turnieraus des Gastgebers hätte dem weiteren Verlauf der Afrikameisterschaft gewiss nicht gut getan: Fortan wären leere Stadien zu erwarten gewesen und keine Euphorie und Freude mehr in den Straßen zu spüren.

Trainer Jean-Louis Gasset wurde umgehend entlassen, ohne dass wirklich ein Nachfolger bereitstand. Als Interimscoach übernahm Emerse Faé. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass dieser nur drei Wochen später zum besten Trainer des Turniers gekürt werden sollte. Denn zunächst war die Hoffnung auf ein eigentlich unverdientes Weiterkommen gering. Nach einer zweitägigen Schockstarre brachen dann aber alle Dämme: Dank der knappen 0:1-Niederlage Sambias gegen Marokko konnten sich die Gastgeber in allerletzter Minute doch noch als Gruppendritter für die K.O.-Runde qualifizieren – mit nur drei Punkten aus drei Spielen und einer Tordifferenz von minus 3.

Zum Ende der Vorrunde war der Turnierbesuch vor Ort für mich leider schon wieder beendet, was ich sehr bereue. Gerne wäre ich länger geblieben, um noch mehr positive Energie aufzusaugen. Aber schließlich musste ich ja zurück ins nasskalte Berlin, um dort das vierteljährliche Fußball-Kneipenquiz von Gesellschaftsspiele e.V. mit zu organisieren. Die Teilnehmer*innen erwarteten bereits Geschichten, aktuelles Bildmaterial und Quizfragen zum Afrika-Cup und sollten nicht enttäuscht werden.

Aber zurück zum Turnier: Nach meiner Rückkehr war ich immer noch in den Bann gezogen und ließ mir keine der restlichen Partien entgehen – diesmal allerdings nur vor der Glotze. Und was für ein wunderbar irrer Afrika-Cup war das denn diesmal!? Mit vielen Überraschungen, manch unerwarteten Wendungen und einem nie dagewesenen Favoritensterben. Ghana, Algerien und Tunesien überstanden nicht einmal die Gruppenphase. Ägypten strauchelte, erreicht dann aber mit einer gehörigen Portion Glück das Achtelfinale, wo im Elfmeterschießen gegen die Demokratische Republik Kongo auch schon wieder Schluss war.

Die Gastgebernation erwartete im Achtelfinale ausgerechnet den Senegal, amtierender Afrikameister und nach drei verdienten Siegen in der Vorrunde die bis dahin überzeugendste Mannschaft des Turniers. Erst kurz vor Ende der regulären 90 Minuten konnten die Ivorer den Ausgleich erzielen und somit die Verlängerung erzwingen, welche torlos blieb. Im Elfmeterschießen bewiesen die Elefanten die besseren Nerven. Der klare Titelfavorit Senegal war ausgeschieden.

Die Mit-Favoriten Marokko, Burkina Faso und Kamerun strichen ebenfalls die Segel und mussten vorzeitig die Heimreise antreten.

Und so kam es, dass im Viertelfinale keine einzige Nation mehr vertreten war, die im Turnier zwei Jahre zuvor in der Runde der letzten Acht gestanden hatte. Insgeheim wünsche ich mir das auch für die kommende Europameisterschaft, denn das würde mal etwas frischen Wind reinbringen.

Mit Kap Verde, Guinea, Südafrika und Kongo hatten wohl die wenigsten gerechnet. Für Mali und Angola war dann auch bald Endstation. Nigeria war der letzte verbliebene „große Name“ – und natürlich Côte d'Ivoire, die im Vergleich zur Vorrunde wie ausgewechselt wirkten. Es ist bestimmt nicht übertrieben zu sagen, dass die Mannschaft von der Euphorie im Land getragen wurde. Gegen Mali im Viertelfinale hatte sie sich aus dramaturgischer Sicht etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Ausgleich in der letzten Spielminute und Siegtreffer zum 2:1 in der zweiten Minute der Nachspielzeit der Verlängerung.

Nigeria konnte sich gegen die starken Palancas Negras aus Angola durchsetzen, für die wiederum der Halbfinaleinzug nicht unverdient gewesen wäre. Ronwen Williams aus Südafrika hingegen hielt gleich vier der fünf Elfmeter im Spiel gegen Kap Verde und wurde später zu Recht zum „Torhüter des Turniers“ gekürt. Eine der vielen positiven Überraschungen waren sicherlich auch die Leoparden aus Kongo-Kinshasa, die sich im Turnierverlauf zusehends steigerten.

Am Sonntag standen sich dann also Côte d'Ivoire und Nigeria im Finale gegenüber. Von der deutschen Öffentlichkeit weitestgehend ignoriert. Schließlich wurden viele vom Hype um den Superbowl gepackt und fieberten dem Finale einer Sportart entgegen, die sie den Rest des Jahres über herzlich wenig interessiert und von der die meisten auch recht wenig Ahnung haben. Sei’s drum. Ich persönlich erreichte den Zenit meiner Begeisterung für den Afrika-Cup. Und es hätte nicht besser kommen können. Nach der grandiosen Abschlussfeier mit Stars wie Alpha Blondy auf der Bühne und dem aktuellen Gassenhauer „Coup du marteau“ (Hammerschlag) von Tam Sir waren alle Anwesenden im Stadion richtig angestachelt.

In einer zunächst ausgeglichenen Partie ging Nigeria in Führung. Die Elefanten nahmen aber zunehmend Fahrt auf und erzielten durch Kessié Mitte der zweiten Hälfte den Ausgleich. Spätestens jetzt herrschte ein Gefühl von „Lieber Gott, lass es doch bitte wahr werden!“. Es wäre einfach zu schön. Erst die katastrophale Vorrunde und das Beinahe-Aus für einen der herzlichsten Gastgeber aller Zeiten, gefolgt von der beständigen Steigerung in der K.O.-Phase und jetzt kurz vor dem Ziel, das Finale zu gewinnen.

Reicht die Kondition für die Verlängerung? Zerstört Nigeria vielleicht den großen Traum doch noch durch einen Konter oder Kunstschuss? Und halten Nerven und Konzentration in einem etwaigen Elfmeterschießen? In der 81. Minute spitzelte Sebastien Haller den Ball artistisch mit der Fußsohle über die Torlinie. Es war vollbracht! Nur noch ein paar Minuten durchhalten. Und der Traum wurde wahr, das Fußballmärchen ging weiter und fand einen fast schon kitschigen Abschluss. Eine Nation in Ekstase. Nur allzu gerne wäre ich im Stadion dabei gewesen. Oder in einer Kneipe vor Ort. Einfach irgendwo, wo Ivorer waren, ihr Glück nicht fassen konnten und tanzend durch die Straßen zogen.

Der diesjährige Afrika-Cup ist jetzt zu Ende und damit Geschichte. Nur schade, dass dieser Wettbewerb hierzulande kaum Beachtung oder Wertschätzung erfährt. Denn es ist das vielleicht schönste Fußballturnier der Welt. In der kommenden März-Ausgabe des Zeitspiel-Magazins wird es ein ausführliches Feature zum Thema geben.

FOLGE 11: Vorrundenaus 

  

Algerien und Tunesien verabschieden sich aus dem Turnier als jeweils Tabellenletzter. Zudem hat es mit Ghana als einem der beiden schlechtesten Gruppendritten noch einen weiteren ganz Großen erwischt. Der Trainer wurde bereits entlassen. Gastgeber Côte d'Ivoire hingegen konnte sich in allerletzter Minute aufgrund der Ergebnisse in Gruppe F doch noch für das Achtelfinale qualifizieren. Die entscheidenden Spiele Kongo gegen Tansania und Marokko gegen Sambia verfolgten wir im Vorhof eines zum Public Viewing umfunktionierten Friseursalons in einer sandigen Seitenstraße in Grand Bassam. Zum Schlusspfiff brachen dann alle Dämme: Kinder, Marktfrauen, Fußballfans - alle, die gerade unterwegs waren tanzten singend und jubelnd durch die Straßen. In der Ferne war sogar ein kleines Feuerwerk zu beobachten. 


Am Montag geht es nun für die Elefanten ausgerechnet gegen Senegal, das Team, das ich persönlich als das bislang stärkste des Turniers einschätze. Die beiden letzten fußballfreien Tage waren etwas ungewohnt, denn wenn wir nicht im Stadion waren, ging es üblicherweise darum, wo wir die anderen Spiele in den örtlichen Bretterbuden verfolgen konnten. Nach einer wirklich großartigen Reise verbrachte ich die letzten Tage am Strand in Grand Bassam. Wenn am heutigen Samstag die Achtelfinalpartien starten (u.a. mit Nigeria gegen Kamerun), werde ich also schon am Flughafen bzw. auf der Rückreise sein. Dann gilt auch für mich: Vorrundenaus.


In Erinnerung wird mir vor allem die außerordentliche Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Ivorer bleiben. Wirklich überall wurden wir sehr herzlich empfangen und willkommen geheißen. Wie bereits den vorherigen Beiträgen zu entnehmen war, sind die Einheimischen wirklich sehr stolz auf ihr Turnier und freuen sich enorm über Besucher aus ganz Afrika und mitunter auch aus Europa, wie in unserem Fall. Überraschenderweise ist Côte d'Ivoire noch kein Opfer des internationalen Massentourismus geworden. Es ist als Reiseziel quasi noch ein Geheimtipp: Aber bitte nicht weitersagen


Besonders hervorzuheben ist die lokale Küche. Einfach, aber sehr lecker und preiswert. Gegrillten Fisch und Huhn gibt es an fast jeder Ecke. Als Beilagen dienen Attiéké (gemahlener Maniok, von der Konsistenz her ähnlich wie Couscous), Plakali oder Foutou (Maniok-Knödel), Reis, aber natürlich auch Pommes Frites und Aloco (frittierte Kochbananenwürfel). Das kulinarische Angebot wird erweitert durch diverse Eintöpfe und Suppen. Am Straßenrand finden sich dann auch oft Stände, die frisch gepressten Orangensaft, Bissap (Hibiskussaft) oder Ingwersaft anbieten. Sehr knackig geröstete Erdnüsse werden in der Flasche serviert.


In Erinnerung wird mir auch der Titel "Coupe du marteau" bleiben, der Gassenhauer schlechthin, der hier wirklich zu jeder Zeit und überall rauf und runter läuft und die Leute regelmäßig zum Ausrasten bringt.


Mittlerweile bereue ich, dass ich nicht länger bleiben werde und die K.O.-Runde leider ohne mich stattfindet. Und da das Turnier in Europe weitestgehend ignoriert wird und die Spiele nicht im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen sind, werde ich mich nach Rückkehr ins kalte Deutschland wohl an einen der Streaming-Dienste wenden müssen, um den weiteren Verlauf zu verfolgen.


Viele Grüße und herzlichen Dank an alle, die hier die letzten Tage mitgelesen haben. Im nächsten Zeitspiel-Heft wird es einen ausführlichen Beitrag aus der Feder eines geschätzten Kollegen geben, selbstverständlich garniert mit ein paar passenden visuellen Eindrücken.


Vive l'Afrique!

ZEITSPEL-Ausgabe #33.
Fankultur im Unterbau

 Kein Videobeweis, keine personalisierten Tickets. Kein bombastisches Rahmenprogramm, keine Erfolgsfans, keine VIP-Tribüne. Der Fußball unterhalb der Glitzerebene ist anders. Ursprünglicher, geerdeter, authentischer. Wir sind durch die Republik gereist und haben Fans unterhalb des Profifußballs besucht, die das Motto „Support your local football team“ leben. Und die Verantwortung in ihren Klubs übernehmen und ihm damit die Zukunft sichern. 

FOLGE 10: Die Elefanten sind müde 

 

Große Enttäuschung nach dem 0:4 der Elfenbeinküste gegen Äquatorialguinea. Mit nur drei Punkten aus drei Spielen und einer negativen Tordifferenz steht die Gastgebernation auf dem dritten Tabellenplatz. Damit dürfte es schwierig werden, als einer der besten Gruppendritten noch in die K.-O.-Runde vorzurücken, selbst wenn nur die beiden schlechtesten Dritten die Heimfahrt antreten müssen. Insgesamt werden 16 der 24 teilnehmenden Nationen das Achtelfinale erreichen.


Ich verfolgte das Spiel im Fernsehen in einer Straßenkneipe in Bouaké. Seit zwei Tagen befinden wir uns in der ehemaligen Rebellenhauptstadt des Nordens. Auch heute ist die Stadt noch geprägt von vielen Mopeds, denn aufgrund des Embargos während des Bürgerkriegs Mitte der 2000er Jahren kamen kaum Autos in die Stadt.

War die Stimmung vor der Partie sehr ausgelassen bis euphorisch, wandelte sie sich rasch in maßlose Enttäuschung und großes Unverständnis. Es blieb zum Glück aber alles friedlich. Im Stadion kam es Berichten zufolge zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Nach dem Auftaktsieg im Eröffnungsspiel und dem Ausrutscher gegen Nigeria (0:1) waren sich eigentlich alle sicher, dass gegen Äquatorialguinea nichts mehr schief gehen könne. Alles nur noch Formsache. Ein Pflichtsieg musste eben her. Doch die Leistung der Elefanten darf durchaus als unterirdisch bezeichnet werden. Darüber täuschen auch zwei aberkannte Tore nicht hinweg. Am Ende stand ein 0:4, das Bände spricht. Auch Ägypten und Ghana standen bzw. stehen am Abgrund. Und Tunesien ist mit nur einem Punkt aus zwei Spielen aktuell sogar Letzter in seiner Gruppe.


Am Dienstag standen dann die letzten Gruppenspiele der Gruppe C und D an. Zwei davon hier in Bouaké. Zum Stadion geht es diesmal zu Fuß, denn das Stade de La Paix liegt recht zentral und nur etwa zwei Kilometer von unserer Unterkunft im Stadtzentrum entfernt. Alles sehr entspannt und stressfrei. Tags zuvor trieben sich schon etliche Algerier in den Straßen herum, Fans der anderen beteiligten Nationen waren da noch nicht erkennbar.


Den Anfang macht um 17 Uhr Gambia gegen Kamerun. Auch Kamerun benötigt dringend einen Sieg, denn bis jetzt langte es nach zwei Spielen nur zu einem Unentschieden. Selbst die bis dato punktlosen Gambier hätten mit einem Sieg noch Chancen aufs Weiterkommen. Für Côte d'Ivoire wäre ein Unentschieden das beste Ergebnis. Die anwesenden ivorischen Fans stehen im eigenen Interesse klar hinter Gambia und feuern diese lautstark an. Der Führungstreffer der Kameruner dämpft die Stimmung zunächst ein wenig, aber spätestens beim 1:1 geraten alle in Extase - zumindest diejenigen, die es mit Côte d'Ivoire oder eben mit Gambia halten.

Gambia hat jetzt einen Lauf und macht ordentlich Druck. So einen Support haben sie bei einem Spiel fern der Heimat wohl noch nie erlebt. Bei ihrem anschließenden Führungstreffer kurz darauf scheint das Stadion zu explodieren. Die Ivorer feiern jetzt mehr als sie dies bei ihrem einzigen Vorrundensieg taten. Doch Kamerun dreht das Spiel und geht 3:2 in Führung. Bis Gambia in der Nachspielzeit nach einer Ecke noch den Ausgleich erzielt. Côte d'Ivoire wäre damit weiter und Kamerun raus. Selbst ich kann mich der Freudentränen jetzt nicht mehr erwehren. Doch dann wird der Schiedsrichter zum Bildschirm gerufen. Und es kommt wie es kommen musste: Der Treffer wird aberkannt. Kamerun kommt weiter, die tapferen Gambier treten punktlos die Heimreise an, und für die Elfenbeinküste geht das Zittern weiter.


Nach einer Stunde Pause beginnt um 20 Uhr das Abendspiel Mauretanien gegen Algerien. Bei Algerien standen vor dem letzten Gruppenspieltag auch erst zwei magere Punkte auf dem Konto. Die Algerier dominieren das Spiel in der ersten Halbzeit, machen aber nichts Verwertbares draus. Die Mauretanier hingegen kommen ein paar Mal gefährlich vors gegnerische Tor und erzielen sogar das überraschende 1:0. Auch in der zweiten Hälfte hat Algerien mehr Ballbesitz. Mauretanien legt noch eine Schippe drauf, verteidigt gut, vergibt aber einige gute Torchancen. Als dann ohne ersichtlichen Grund sage und schreibe 11 (elf!) Minuten Nachspielzeit angesagt wurden, rechnete ich schon mit einem unberechtigten Elfmeter: Hauptsache, Algerien kommt irgendwie weiter. Das roch schon arg nach Manipulation. Einen Strafstoß gab's dann glücklicherweise nicht mehr, Mauretanien rettete sich über die Zeit, ist eine Runde weiter, und Algerien mit nur zwei Punkten ausgeschieden.


Am heutigen Mittwoch entscheidet sich in den letzten Spielen der Gruppen E und F, wer sich dort noch qualifiziert und letztendlich auch, ob Côte d'Ivoire tatsächlich noch das Achtelfinale erreicht - oder eben nicht. 

Englands Fußballwappen

 

 

139 Vereine spielten seit 1888 in der englischen Football League. Hier sind alle ihre Wappen aus den letzten rund 130 Jahre. Präsentiert und spannend erläutert von Wappenexperte Hardy Grüne. 

FOLGE 9: Yamossoukrou 

Für die paar Tage des Müßigganges in San Pédro sollten wir tags darauf auf der Fahrt nach Yamossoukrou offensichtlich büssen. Morgens um acht Uhr ging es vom örtlichen Busbahnhof los, doch nur eine halbe Stunde später, kurz außerhalb der Stadt, war der Spaß schon wieder vorbei: Motorschaden. Bitte alle aussteigen. Das ging ja mal wieder gut los.

Zugegebenermaßen hatten wir aber auch irgendwie Glück im Unglück. Denn nach kaum einer weiteren halben Stunde stand auch schon ein Ersatzbus bereit. Die 500 Kilometer über holprige Straßen sowie Sand- und Buckelpisten durchs Hinterland waren nach zehn Stunden schließlich absolviert. Glückwunsch an mich selbst und meine Rückenwirbel fürs Durchhalten!


Die auf dem Reißbrett entstandene Hauptstadt Yamossoukrou, von den Einheimischen kurz "Yakro" genannt, wirkt wie ein großes Dorf mit breiten Straßen und reichlich Sand und Staub. Nachts ist sie außerhalb des Zentrums nur schwach beleuchtet. Das Leben ist weniger aufgeregt als in Abidjan. Unsere Unterkunft ist eine moderne Neubauwohnung im Nordwesten der Stadt in Morofé, wo sich die Mittelklasse angesiedelt hat.

Viele Straßen sind noch nicht asphaltiert, und so geht es auch hier über bucklige Sandpisten voran. Hin und wieder ist mit kurzen Stromausfällen zu rechnen. Aber man ist niemals weit zum nächsten maquis, wo gekühlte Getränke und Grillgut auf erschöpfte Laufkundschaft wie uns wartet. Dabei machen wir viele nette Bekanntschaften und fühlen uns sehr willkommen.

Touristisch interessante Sehenswürdigkeiten umfassen den Nachbau des Petersdoms zu Rom (größer als das Original und sehr imposant) und der vom ehemaligen Präsidenten angelegte Krokodilteich im Stadtzentrum (ein Besuch empfiehlt sich vor allem während der Fütterungszeiten, wenn ganze Hühner serviert werden).


Zum Stadion, und damit zur Partie Senegal gegen Kamerun, geht es diesmal mit verhältnismäßig wenig Absperrungen und Sicherheitskontrollen recht flott voran, und das trotz des großen Andrangs. Das Thermometer hatte mittlerweile die 38-Grad-Marke erreicht. Das Topspiel hält auch auf dem Rasen, was es auf dem Papier verspricht. Und auf den Tribünen sorgen Fans beider Nationen mit diversen Rhythmusgruppen für den entsprechenden Schwung.

Was mich aber fast noch mehr begeistert, ist die Tatsache, dass das Stadion nahezu bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Üblicherweise ist das nur beim Eröffnungsspiel der Fall oder wenn die Gastgebernation das Endspiel erreicht. In Côte d'Ivore leben viele Senegalesen, deren Fußballfans ohnehin auch für ihre Reisefreudigkeit bekannt sind. Letzteres gilt auch für die Kameruner. Trotz der großen geographischen Entfernungen herrscht fast schon Derby-Atmosphäre. Wir erleben ein technisch gutes Spiel auf hohem Niveau. Es ist unübersehbar, dass beide Teams auch wirklich was können. Aber so wirklich mitgerissen bin ich von der Atmosphäre auf den Tribünen, die unbeschreiblich gut ist. Ich bin sofort von der Euphorie angesteckt und einfach nur noch glücklich. Der amtierende Afrikameister Senegal setzt sich in dem hier bislang besten gesehenen Spiel letztendlich auch mit 3:1 durch.


Das zweite Spiel des Abends, Gambia gegen Guinea, erscheint da im Vergleich relativ unspektakulär. Ich erwarte nicht mehr als einen gemütlichen Ausklang eines bislang wunderbaren Tages. Aber auch hier werden wir nicht enttäuscht. Bemerkenswert bei Guinea ist, dass sie sich die Spieler zur Nationalhymne an den Schultern einhaken und während der Nationalhymne zu schunkeln beginnen. Das hebt die Stimmung, ja da kommt Freude auf!

Auf dem Platz ist es sicherlich nicht die Qualität, die wir beim vorangegangenen Spiel erleben durften. Dennoch geben auch hier beide Fangruppen ihr Bestes. Guinea ist klar im Vorteil. Die Temperatur ist zwar mittlerweile auf unter 30 Grad gesunken, aber während der Trinkpausen werden wir vom Stadionsprecher darauf hingewiesen, auf den eigenen Wasserhaushalt zu achten und das Trinken nicht zu vergessen. Das Wasser gibt es für die Zuschauer in 0,25er Bechern mit Joghurtbecherdeckel. Drei Einheiten davon kosten 500 CFA-Franc, das sind knapp 90 Cent. Wir sind von der Hitze und den Gegebenheiten der letzten beiden Tage gezeichnet. Guinea hat 1:0 gewonnen und wir sind froh, als wir unser Viertel spät abends wieder erreichen und das Feierabendbier endlich auf dem Tisch steht. 


Randbeobachtung: Es gibt hier bestimmt ein gutes Dutzend Songs, die sich dem aktuellen Afrika-Cup widmen. Einer davon ist "Ayoka" vom legendären Alpha Blondy (wir berichten), zusammen mit ein paar kontemporären Künstlern aufgenommen. Nicht der aktuell kommerziell erfolgreichste, aber sicherlich wert, mal reinzuhören.

BUENOS AIRES. Eine Reise in die Seele des Fußballs

 

 Unser opulenter Text- und Bildband aus Buenos Aires, der "Seele des Fußballs". Direkt aus den Kurven und Barrios der wohl intensivsten Fankultur der Welt. 

FOLGE 8: Wellnessurlaub 

San Pédro im Südwesten der Côte d'Ivoire erreicht man von Abidjan aus im modernen Reisebus auf der gut ausgebauten Küstenstraße in nur etwa viereinhalb stressfreien Stunden. Entlang der Passage vom Busbahnhof zu unserer Bleibe am Strand liegt der herrliche Duft von Kakao in der Luft, der über der halben Stadt steht. San Pédro ist das Zentrum der kakaoverarbeitenden Industrie und Côte d'Ivoire der weltweit größte Kakaoexporteur. Die Markthalle im Zentrum bietet frische Lebensmittel und Artikel für den täglichen Bedarf sowie ein paar einfache Restaurants und Kneipen drumherum. Ansonsten hat die Stadt außer einem traumhaft schönen Strand, guten Hotels mit Pool und gleichermaßen preiswerten wie gemütlichen Beach Bars nicht viel zu bieten. Also ideal für ein paar Tage Auszeit und Ruhe. Es ist auch nicht überraschend, dass hier gegrillter Fisch fast überall ganz oben auf der Speisekarte steht.


Es steht der erste Spieltag der Gruppe F an. Das neue Stadion Laurent Pokou wurde weit außerhalb der Stadt an einer Ausfallstraße errichtet. Waren in der Stadt schon einige Straßen gesperrt, so ist an der Abzweigung endgültig für alle Fahrzeuge Schluss. Ab sofort geht es für tausende Besucher per pedes auf eine zwei Kilometer lange Völkerwanderung zu den Stadiontoren. Auf dem Weg dorthin muss ich etwa sieben Mal mein Ticket vorzeigen, um weiter gelassen zu werden. Einmal mehr kommt auch hier die gesamte Einwohnerschaft der naheliegenden Siedlungen an den Straßenrand, um den anreisenden Fans zuzujubeln und Getränke sowie Snacks anzubieten. Als Hellhäutiger werde ich nicht selten für einen Marokkaner gehalten. Die Nordafrikaner spielen am Nachmittag in San Pedro.


Am Spielort herrscht eine fröhliche und ausgelassene Stimmung. Das neue Stadion besteht aus zwei gegenüberliegenden überdachten Tribünen und ist im Hintertorbereich auf beiden Seiten offen. Das hat sicherlich den Vorteil einer besseren Durchlüftung, so dass man nicht in einem Glutkessel sitzt. Allerdings wurde dabei nicht bedacht, dass, wenn in unmittelbarer Umgebung mal wieder bergeweise Plastikmüll verbrannt wird, der beißende Gestank direkt ins Stadion zieht.


Im ersten Spiel des Tages stehen sich Marokko und Tansania gegenüber. Die Marokkaner sind mit großer Kapelle angereist und haben gestern Abend schon die gastronomischen Betriebe der Stadt belagert. Die Handvoll tansanischen Gäste sind höchstens an ihren Flaggen zu erkennen. Damit ist auch klar, wer auf den Rängen dominiert. Auf dem Spielfeld sieht es nicht anders aus, und Marokko setzt sich souverän mit 3:0 durch. Beides kommt sicherlich nicht sehr überraschend. Auf dem Platz gelten die Nordafrikaner als einer der Titelfavoriten.


Beim zweiten Spiel treffen DR Kongo und Sambia aufeinander. Die Anhänger beider Mannschaften sorgen schon lange vor Anpfiff für ordentlich Stimmung. Was die Kongolesen ablieferten, war dann aber schon sehr beeindruckend und mitreißend. Abwechselnde Rhythmen, teilweise unterlegt von Gesang und Sprechchören in mitunter brachialer Lautstärke. Vorgetragen mit einem wahnsinnigen Enthusiasmus. Genau so soll es sein. Das ist der Afrika-Cup, den ich so liebe. Kongo dominiert zwar das Spiel sehr eindeutig und spielt einen wilden Ball, weit weg von dem was wir aus dem europäischen Profifußball kennen, zeigt aber eklatante Abschlussschwächen, wenn es zum Torschuss kommt. Damit dürfen sich die Sambier über ein letztendlich schmeichelhaftes 1:1 freuen.

Fußball in Albanien

In 40 Jahren Abschottung und Stalinismus war Fußball eine der wenigen erlaubten Ablenkungen. Hardy Grüne reist durch das Land und seine Geschichte.

FOLGE 7: Startschuss 

 

Wer schon mal selbst auf eigene Faust in Afrika unterwegs war, wird nachvollziehen können, dass ruhige Phasen, in denen man sich mal konzentriert einer einzigen Sache widmen kann, oft recht dünn gesät sind. Darunter leidet zwangsläufig auch eine tägliche Berichterstattung auf diesem Kanal. Dafür bitte ich alle Mitlesenden um Verständnis und Geduld. Denn leider geht viel zu viel Zeit für Organisatorisches und Transport drauf. 

Bevor ich jetzt gleich zu den ersten Spielbesuchen komme, folgt ein kurzes Update zum Ticketing-Irrsinn aus Folge 3: Eine Woche vor dem ersten Spiel waren immer noch keine Tickets fürs Eröffnungsspiel zugestellt. Der Kundenservice vertröstete mich sinngemäß mit „kommt bald“. Vergangenen Montag wurden dann drei QR-Codes bereitgestellt, was offensichtlich für vier Personen nicht ausreicht. Tags darauf wurden diese Codes aufgrund eines technischen Fehlers storniert. Ein paar Stunden später traf eine E-Mail ein, dass die Tickets ab sofort abgerufen werden könnten. Aber Einloggen war mal wieder nicht möglich. Zeitweise bis zu fünf Stunden Warteschlange, um auf die Seite zu kommen. Meine Nerven waren spätestens jetzt schon arg strapaziert. Am späten Dienstagabend waren dann endlich alle vier Tickets als PDF mit QR-Code im Account. Na endlich! 


Überall in den Straßen und den Geschäften Abidjans war alles schon festlich dekoriert mit Flaggen und Wimpelketten der teilnehmenden Nationen. Sehr viele laufen dieser Tage im orangenfarbenen Trikot herum. Die Menschen hier sind sehr stolz darauf, Gastgeberland dieses Turniers sein zu dürfen. Das ivorische Nationalstadion Stade Olympique Alassane Outtara liegt, je nachdem von wo in Abidjan man startet, etwa 30 bis 40 Kilometer nördlich der Stadt im Vorort Ebimpé. Dorthin führt eine achtspurige Fernstraße in gutem Zustand. Entlang der gesamten Strecke, die sich mitunter entlang sehr ärmlicher Wohnviertel zieht, kommt gefühlt die ganze Bevölkerung an den Straßenrand, darunter viele Kinder, und jubelt allen, die zum Stadion fahren zu. Vielleicht auch in der Hoffnung mal einen Mannschaftsbus oder die Limousine eines Promis zu Gesicht zu bekommen. 


Überall ist die  Stimmung ausgelassen und euphorisch. Die Freude ist den Leuten richtig anzusehen. So gut die Stimmung draußen auf den Straßen ist, so ist die Atmosphäre beim Eröffnungsspiel leider etwas mau. Das mag vielleicht an den für viele Einheimische viel zu hohen Ticketpreisen liegen, so dass sich eigentlich nur Wohlhabende und Besserverdiener einen Stadionbesuch leisten können. Sehr schade. Denn richtig laut wurde es nur, als die beiden Tore beim 2:0-Sieg der Gastgebernation gegen Guinea-Bissau bejubelt wurden. Das Stadion fasst 60.000 Zuschauer und war seit geraumer Zeit ausverkauft. Allerdings blieben stellenweise ganze Sitzreihen leer, sodass schätzungsweise nur 50.000 dem ersten Auftritt der Éléphants beiwohnten. Wie aber die offizielle Zuschauerzahl von 36.848 zustande kam, bleibt nicht nur mir ein Rätsel. 


Angetan war ich allerdings vom Vuvuzela-Verbot, welches auch konsequent durchgesetzt wurde. An den Einlasskontrollen konnten daher ganze Berge dieser nervigen Plastiktröten bewundert werden. Schade allerdings ist, dass dieses Verbot auch Musikinstrumente umfasst, und daher zumindest beim Eröffnungsspiel der für den Afrika-Cup so typische Sound von Trompeten oder Trommeln nicht zu vernehmen war. Tags darauf bei der Partie Ghana - Kapverden war es einigen Gruppen allerdings erlaubt, mit Pauken und Blasinstrumenten für Rhythmus zu sorgen. Ich gehe mal davon aus,  dass diese angemeldet und genehmigt waren. Der Doppelspieltag am Sonntag im Stade Félix Houphouët war ohnehin ein Abend der Überraschungen. Hätte Mo Salah in der Nachspielzeit keinen umstrittenen VAR-Strafstoß für Ägypten mit viel Glück verwandelt, wäre Mosambik mit der ersten großen Sensation als Sieger vom Platz gegangen. Nicht nur seinem Gegenspieler Stanley Ratifo vom baden-württembergischen Oberligisten 1.CfR Pforzheim wäre es zu vergönnen gewesen. Aber so trennte man sich eben 2:2. 


Im anschließenden 20-Uhr-Spiel überzeugten dann die Kicker von Cabo Verde mit erfrischend frecher und mutiger Spielweise. Die hochgehandelten Black Stars aus Ghana enttäuschten ebenso wie zuvor Titelaspirant Ägypten. Am Ende stand ein nicht unverdientes 2:1 für die Kapverden. Die Gruppe B ist ab sofort prädestiniert für einen unerwarteten Ausgang. 


Nächster Halt: San Pédro 

ZEITSPEL-Ausgabe #33.
Fankultur im Unterbau

 Kein Videobeweis, keine personalisierten Tickets. Kein bombastisches Rahmenprogramm, keine Erfolgsfans, keine VIP-Tribüne. Der Fußball unterhalb der Glitzerebene ist anders. Ursprünglicher, geerdeter, authentischer. Wir sind durch die Republik gereist und haben Fans unterhalb des Profifußballs besucht, die das Motto „Support your local football team“ leben. Und die Verantwortung in ihren Klubs übernehmen und ihm damit die Zukunft sichern. 

FOLGE 6: Akwaba Africa! 

Ankunft in Côte d'Ivoire. Von Berlin aus ging es gestern mit Umstieg in Brüssel und Zwischenstopp in Cotonou (Benin) nach Abidjan. Die Wirtschaftsmetropole am Golf von Guinea ist Heimat von rund sechs Millionen Menschen und zieht in der Hoffnung auf ein besseres Leben Jahr für Jahr mehr Glücksritter vom Land und aus anderen Regionen Afrikas an.

Die Stadt, die bis 1983 noch offiziell Hauptstadt war, erstreckt sich von der Atlantikküste rund um die Lagune von Ébrié. Nach der ersten Nacht und einen Tag vor dem morgigen Eröffnungsspiel ist es also an der Zeit, sich einen Überblick zu verschaffen. Ein malerisches Stadtzentrum oder bedeutende Sehenswürdigkeiten kann Abidjan nicht bieten. Der Bezirk Plateau bildet das Banken- und Geschäftsviertel mit vielen modernen Wolkenkratzern. Das im Vergleich ärmlichere Treichville ist für seine beengten Wohnquartiere und engen Straßen bekannt, während Marcory mit einem der größten Märkte Westafrikas aufwarten kann.

Unsere Unterkunft liegt in Cocody, das als modern und wohlhabend gilt. Gleich in der Nähe von "Alpha Blondy FM", wie ich aus der Wegbeschreibung unseres Gastgebers erfahre. Da klingelt doch etwas! Ein Radiosender, der nach dem bekanntesten Musiker der Elfenbeinküste benannt ist. Passionierten Reggae-Fans und Liebhabern der afrikanischen Musik ist Alpha Blondy gewiss ein Begriff. Er war der erste, der in den 1980er Jahren den Roots Reggae mit Stilmitteln seiner Heimat vermengte und damit auf dem gesamten Kontinent zu einem Superstar aufstieg. Quasi der afrikanische Bob Marley, wenn man so möchte.

Vater Christ, Mutter Muslimin – sinnbildlich für die ivorische Gesellschaft, was sich auch in seinen Texten widerspiegelt: Diese handeln von sozialen Missständen, Ungerechtigkeiten, Spiritualität und dem Wunsch nach einem friedlichen Miteinander. Neben Französisch und Englisch finden sich in seinen Liedern auch immer wieder hebräische und arabische Textpassagen. Anspieltipps: Brigadier Sabari und Seba Allah Y‘e.

Ab Anfang der 2000er Jahre trat dann Tiken Jah Fakoly seine Nachfolge in Sachen Afro-Reggae an. Und wie es der Zufall so will, und obwohl ich schon seit geraumer Zeit kein regelmäßiger Konzertgänger mehr bin, konnte ich die beiden Größten der ivorischen Musikszene einst im Rahmen von Open-Air-Auftritten an zwei dafür ungewöhnlichen Orten erleben: Tiken Jah Fakoly 2006 im Treptower Park in Berlin und Alpha Blondy 2008 in Antananarivo (Madagaskar). Selbstverständlich gibt es noch viele weitere Genres musikalischer Spielarten, die heute die Leute begeistern. Dabei ganz vorne liegt Magic System, die auch beim offiziellen Turniersong mitgewirkt haben und die wir wahrscheinlich im Rahmen der Eröffnungsfeier morgen erleben dürfen.  

Nach diesem kurzen musikalischen Exkurs zurück zu ersten Eindrücken. Schlafmangel und 30 Grad Außentemperatur haben uns natürlich erstmal etwas zugesetzt. Selbst nachts fällt das Thermometer nicht unter 25 Grad. Aber auch daran werden wir uns nach ein paar Tagen gewöhnt haben. Der Stress um die frühmorgendliche Anreise zum Flughafen tat sein Übriges. Die Nacht vor Abflug war noch von Sorgen davon geprägt, wie ich überhaupt zum BER komme: Bahnstreik, Autobahnblockaden und unüblich hohe Preise bei den Fahrdienstabitern aufgrund der daraus resultierenden großen Nachfrage. Letztendlich kam die S-Bahn mit einem Notfahrplan um die Ecke, und nach einer anderthalbstündigen Odyssee durch die nächtliche Kälte erreichte ich den Flughafen.

Etwa 16 Stunden später sehe ich mich mit endlosen Schlangen und viel Gedränge bei der Passkontrolle am Flughafen in Abidjan konfrontiert. Wer seinen Impfpass vergessen hatte, durfte sich gleich auf eine Auffrischung der Gelbfieberimpfung freuen. Davon waren wir zum Glück nicht betroffen. Trotzdem nahm das ganze Prozedere nahezu fast zwei Stunden in Anspruch.

Aber jetzt sind wir endlich da. Es hat etwas gleichermaßen beruhigendes als auch aufregendes an sich, wieder auf dem afrikanischen Kontinent gelandet zu sein. Es fühlt sich gut an. Zunächst erkunden wir fußläufig die nähere Umgebung unserer Unterkunft: Wo ist der nächste Laden? Wo gibt’s Wasser? Wo lässt sich noch was futtern? Gegen 23 Uhr erscheint die nähere Umgebung nahezu ausgestorben.

Neben uns hält plötzlich eine Polizeipatrouille. Fünf mit Maschinengewehren bewaffnete Polizisten sorgen sich um unsere Sicherheit und befragen uns. Da wir auf der Suche nach einer Bar sind, werden wir gebeten, in ihren Pick-up einzusteigen. Man würde uns Geleitschutz anbieten. Drei Straßen weiter werden wir in die sicheren Hände eines vermeintlichen Kneipenbesitzers übergeben. Es herrscht 90% Frauenüberschuss und es gibt Musik mit 130 Dezibel auf die Ohren. Ungewollt stehen wir sofort im Mittelpunkt des Interesses aller Anwesenden. Im Handumdrehen haben wir uns dann auch gleich wieder verabschiedet und konnten glücklicherweise gleich noch ein Lokal nach unserem Geschmack finden. Was für ein Einstieg!


Ab morgen rollt dann auch endlich der Ball, denn das Eröffnungsspiel vor 60.000 Zuschauern im ausverkauften Stade Olympique Alassane Ouattara steht an. Gastgeber Côte d'Ivoire trifft auf meine alten Freunde aus Guinea-Bissau. Ich bin gespannt, ob sie diesmal mehr als nur 15 Leute mitbringen wie das 2017 in Gabun der Fall war (mich eingerechnet). Damals wurde am Vorabend des Spiels mit den Betreuern noch gekickert und ein paar Biere gezischt, zwischendurch souverän ein Radio-Interview gegeben, und letztendlich mit Ehrenkarte ausgestattet gemeinsam im Minibus zum Stadion getuckert. Alles nachzulesen in meinem Geschichtenband „In 90 Minuten um die Welt“.   

Fußball in Albanien

In 40 Jahren Abschottung und Stalinismus war Fußball eine der wenigen erlaubten Ablenkungen. Hardy Grüne reist durch das Land und seine Geschichte.

FOLGE 5: Didier Drogba und der Bürgerkrieg

Morgen früh soll es dann endlich auf den Weg nach Abidjan gehen. Gepackt habe ich auch schon. Wenn ich nicht gerade längere Zeit an einem Ort verbleibe, hat es sich bewährt, nur mit Handgepäck zu reisen. Zum einen können dabei keine Koffer verloren gehen und man ist vor Ort einfach flexibler und unkomplizierter unterwegs. Der Nachteil bei Flugreisen ist dabei die Beschränkung der mitgeführten Flüssigkeiten, was vor allem Sonnen- und Mückenschutz betrifft. Und dass man seine Klamotten ab und an waschen muss und nicht jeden Tag mit zwei kompletten Outfits aufwarten kann. Aber egal. Vielmehr aber bewegt mich aber die Frage, was mich in Côte d'Ivoire erwarten wird. 


Während sich quer durch die Sahelzone von Mali und Burkina Faso bis hin in den Niger und den Sudan Terrorgruppen wie Boko Haram, Al-Kaida, Islamischer Staat und in zunehmenden Maße auch noch die Wagner-Gruppe um Einflussnahme streiten, hat sich Côte d'Ivoire zu einem stabilen,  aufstrebenden Staat entwickelt. Mit guter Infrastruktur. Das war nicht immer so. Nach der Unabhängigkeit von Frankreich 1960 florierte das Land zunächst mehr als dreißig Jahre unter Präsident Félix Houphouët-Boigny und entwickelte sich zu einer stabilen und wirtschaftlich starken Demokratie. Nach ihm ist heute sogar das Stadion im Zentrum von Abidjan benannt.

Ab Ende der 1990er, wenige Jahre nach dem Ende seiner Amtszeit, schwanden Wohlstand und Stabilität zunehmend. Es folgte ein Militärputsch und ab 2002 kam es zum Bürgerkrieg. Abtrünnige Rebellen im Norden, Regierungstruppen im Süden sowie verfeindete ethnische Gruppen kämpften fortan um die Vorherrschaft. Wie so oft ging es dabei auch um Ackerland und den Zugang zu Trinkwasser und anderen Ressourcen. UN-Blauhelme kamen ins Land, das mittlerweile in Nord und Süd aufgeteilt war. Die Situation eskalierte zunehmend.

Und genau zum Höhepunkt des Konflikts qualifizierte sich die Elfenbeinküste für die WM 2006 in Deutschland. Noch aus der Spielerkabine heraus richtete sich Didier Drogba nach dem entscheidenden Auswärtssieg im Sudan ans Volk, rief zur Versöhnung auf und sendete live im Fernsehen einen Friedensappell an seine Landsleute. In dessen Folge schien tatsächlich ein Ruck durchs Land zu gehen. Doch kann ein Fußballer allein mit ein paar gut gemeinten Worten ein zerrüttetes Land wieder zusammenbringen? Der auf beiden Seiten der Front gleichermaßen beliebte Didier Drogba hatte aber noch einen Trumpf im Ärmel. Er versprach, dass er die Nationalmannschaft zu einem Spiel nach Bouaké bringen würde – direkt in die Hochburg der Rebellen im Norden.

Damit war ihm ein Coup gelungen, an dessen Erfolg wohl nur wenige geglaubt hatten. Nicht nur er, sondern die gesamte Mannschaft, wurde im ganzen Land wie Volkshelden gefeiert. Das 5:0 gegen Madagaskar tat sein Übriges. Eine Zeitung titelte „Fünf Tore gegen fünf Jahre Krieg“. Nach den überschwänglichen Feierlichkeiten kehrte tatsächlich wieder Ruhe im Land ein. Ein Friedensvertrag wurde geschlossen. Der war zwar brüchig, aber hielt immerhin eine gute Weile. 


Mit den Präsidentschaftswahlen 2010 kam es dann erneut zu landesweit blutigen Konflikten mit zahlreichen Gewaltexzessen, Todesopfern und Binnenflüchtlingen. Von den beiden Kontrahenten landete mit Laurent Gbagbo der eine vor dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, während der andere, Alassane Outtara, als Sieger hervorging, bis heute im Amt ist, und für die von seinen Leuten verursachten Massakern nie zur Rechenschaft gezogen wurden. Nach ihm ist heute auch das größte Stadion des Landes benannt, das sich am Rande der Metropolregion Abidjan in Ebimpé befindet und wo kommenden Samstag das Eröffnungsspiel Côte d'Ivoire gegen Guinea-Bissau angepfiffen wird. Dann geht es auch hier wieder mehr um Fußball. 

MONTEVIDEO. Eine Reise in das Herz des Fußballs

 

Keine Stadt hat eine größere Dichte an Fußballtradition als Montevideo. Hardy Grüne hat sich umgeschaut und ist tief eingetaucht in das "Herz des Fußballs". Dies ist sein ausdrucksstarker Text- und Bildband.

FOLGE 4: Botschaftsbesuch

Um nach Côte d'Ivoire einreisen zu können wird ein Visum benötigt. Zur Beschaffung des entsprechenden Sichtvermerks im Reisepass gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder vorab persönlich in der Botschaft in Berlin oder als E-Visa, das dann bei Ankunft am Flughafen in Abidjan ausgestellt wird.
Ich wollte den Stempel gerne schon vor Abreise im Pass haben und entschied mich für erstere Option. Zunächst bezahlt man online die entsprechende Gebühr und vereinbart einen Termin. Sämtliche Unterlagen und Nachweise muss man dann im Original und in Kopie beim Termin vorlegen. Darunter überraschenderweise auch eine Geburtsurkunde. Nach über einhundert bereisten Ländern war das auch für mich das erste Mal.

Pünktlich zu meinem Termin um 9 Uhr erscheine ich in der Botschaft. Im Vorgarten begrüßt mich standesgemäß ein bronzener Elefant. Ich reiche meine Unterlagen ein und nach 20 Minuten im Wartezimmer werde ich aufgerufen. Bei meiner AirBnB-Buchungsbestätigung fehle die Telefonnummer des Gastgebers: Antrag somit ungültig. Es wird gegoogelt. Mein „Hotel“ hat nicht mal eine Website. Es ist ja auch keines. Das Konzept AirBnB ist den Anwesenden nicht bekannt. Es wird versucht, mir trotzdem zu helfen. Nochmal eine halbe Stunde ins Wartezimmer, während alle anderen vor mir abgefertigt werden (ausschließlich Ivorer, die teils die ganze Nacht aus allen Ecken Deutschlands unterwegs waren, um pünktlich zu erscheinen). Mit „C'est dificil“ werde ich beruhigt.
 
Ich rufe beim AirBnB-Kundenservice an, um die Telefonnummer des Gastgebers zu erhalten. Aus Datenschutzgründen darf ich diese aber nicht erfahren (obwohl ich dort übernachte). Außerdem habe ich noch eine andere Buchungsbestätigung eines anderen Bettenvermittlers in der App (natürlich mit Telefonnummer!) - allerdings nicht ausgedruckt. Das geht natürlich auch nicht.

Dann bin ich wieder dran. Fehlende Telefonnummer ist kein Thema mehr. Geburtsurkunde will auch niemand sehen. Aber die Namen der Kinder fehlen! -„Ich hab keine.“ -„Ach so, dann können die Namen auch nicht fehlen.“ Es werden weitere Fragen gestellt, die im Formular bereits beantwortet sind. Mittlerweile werde ich auf die Maskenpflicht aufmerksam gemacht. Dummerweise habe ich keine dabei. Ich bekomme aber umgehend eine gestellt und bin der Einzige, der ab sofort eine trägt.
 
Ab zum Fotografieren und Fingerabdrücke nehmen. Das klappt alles reibungslos. Mein Reisebegleiter kam hierbei ein paar Tage später allerdings ins Straucheln. Irgendwie funktionierte der Fingerabdruckleser nicht richtig, worauf mit Handcreme (!) nachgeholfen wurde, was natürlich zu einer noch schlechteren Lesbarkeit führte. Aber auch dieser Umstand konnte nach Säuberung des Lesegeräts geklärt werden. Sicherheitshalber solle er doch im Land ein auf Französisch übersetztes ärztliches Attest mitführen, dass er schlecht lesbare Fingerabdrücke habe. Um Himmels Willen!
 

Ob man sich mal meinen Kugelschreiber borgen könnte? Na klar! Zumindest hatte ich vorgesorgt und einen dabei. Man weiß ja nie. Ich warte, während mein Antrag bearbeitet wird. In bester Oberlehrermanier wird mir klar gemacht, dass das Passfoto aufgeklebt sein muss (nicht einfach nur beigefügt). Man reicht mir einen Klebestift, denn das ist schließlich mein Fehler. Es wird viel eingetippt und ich freue mich auf das bald ausgestellte Visum.
Eigentlich wäre jetzt alles klar, nur ist der Antrag nicht ganz vollständig. Was fehlt denn noch? Der Kontoauszug! Das ist neu. Das steht so noch nicht auf der Website. Meine Handy-App reicht nicht aus: Schließlich müsse alles ausgedruckt auf Papier vorliegen. Ich solle morgen um 12 nochmal antanzen. Nach zwei Stunden hin und her bin ich wieder auf dem einstündigen Heimweg. Bevor ich diesen antrete, möchte ich noch eben die Toilette aufsuchen. Das Besucherklo befindet sich in einem separaten Häuschen im Garten hinter dem Zaun. Bei Bedarf also einfach an der Rezeption nach Schlüssel und Wegbeschreibung fragen.
 
Bei meinem zweiten Besuch läuft alles völlig reibungslos. Nach zwei Minuten halte ich meinen Reisepass samt Visum in den Händen. Trotz allem Hickhack fühlte ich mich zu keinem Zeitpunkt irgendwie schikaniert. Es lief alles immer freundlich, aber bestimmt ab. Da habe ich schon wesentlich Schlimmeres erlebt. Auf jeden Fall Immer gelassen und geduldig bleiben, „Bonjour“ sagen und ab und zu „Merci, Monsieur/Madame“ einstreuen, schadet auch nicht.

ZEITSPIEL Legenden, Band 4

 SV Stuttgarter Kickers, SC Rot-Weiß Oberhausen, Chemnitzer FC, SC Victoria Hamburg, FC 08 Homburg, Rot-Weiß Lüdenscheid, Itzehoer SV, SC Wacker 04 Berlin, SSV Dillenburg, SV Weisenau-Mainz, FC Wacker München, SC Baden-Baden, VfB Wissen, SV Weingarten/Pfalz, Union Mühlhausen, VfL Frohnlach, TuS Hessisch Oldendorf, TS Woltmershausen (Bremen), DJK Westwacht Aachen, SpVgg Röhlinghausen, SV Viktoria Goch, Vorwärts Drögeheide, Preston North End FC, CA Peñarol (Montevideo), Belfast Celtic FC 

FOLGE 3: Ticketing

Am 11. November um 10 Uhr sollte es also losgehen mit dem Online-Ticketverkauf. Auf der entsprechenden Website tickte ein Countdown herunter und ich stellte mir den Wecker. Pünktlich zum Verkaufsstart war ich dann online. Mein Hauptaugenmerk lag auf dem Eröffnungsspiel, traditionell mit der Gastgebernation vor vollem Haus. Karten für alle anderen anvisierten Partien ließen sich bestimmt auch noch später bzw. vor Ort realisieren. Als der Countdown abgelaufen war, erschien die Meldung „The countdown has ended.“ Mehr nicht. Naja, ein paar technische Schwierigkeiten oder ein vielleicht überlasteter Server mögen die Erklärung sein, dachte ich. Etwas mehr als eine Stunde später startete der Countdown erneut, wonach es in etwa einer weiteren halben Stunde losgehen sollte, was dann auch tatsächlich der Fall war. Und zack, lagen vier Tickets fürs Eröffnungsspiel in meinem Warenkorb. Schnell per Kreditkarte die Zahlung abgewickelt und gut ist.

Dachte ich zumindest. Auf der Website erschien die Meldung, dass die Zahlung fehlgeschlagen sei. Fast gleichzeitig bestätigte mir meine Bank die erfolgreiche Zahlung. Das Geld war also schon mal weg. Keine Kaufbestätigung im Account und auch nicht an meine E-Mail-Adresse. Und wenig später war auch die Website offline: Sinngemäß hieß es dort jetzt „Alle Spiele ausverkauft“. Ein Login war nicht mehr möglich. Also blieb mir nichts anderes übrig als abzuwarten und hoffentlich nur eine Nacht darüber zu schlafen.

Tags darauf gegen Mittag war die Ticketing-Website in etwas abgewandelter Form wieder abrufbar und ich konnte mich auch einloggen. Und sogar eine Bestätigung meines Kaufs vom Vortag war da. Erst mal große Erleichterung. Und da ich schon mal da war, buchte ich auch gleich die Tickets für die anderen anvisierten Spiele. Grundsätzlich gibt es drei Preiskategorien. Für das Eröffnungsspiel und die KO-Runde gibt es Karten zu rund 8, 16 und 24 Euro. Für die Gruppenspiele beginnen die Preise schon ab 3 Euro. Und im Gegensatz zum Vortag konnte man sich jetzt auch seine Plätze mittels virtuellen Stadionplans aussuchen. Zuvor war nur eine Auswahl der gewünschten Preiskategorie möglich. Aber vor allem bemerkenswert war die Tatsache, dass der Zahlungsabwickler ausgetauscht worden war. Und das dürfte dann auch die Erklärung für das große Durcheinander der vorherigen 24 Stunden sein. Die Tickets sollen dann erst kurz vor dem Turnier bereitgestellt werden, wahrscheinlich um einen überteuerten Weiterverkauf zu verhindern. Bislang habe ich nur die Kaufbestätigungen vorliegen.

Es bleibt spannend.

Fußball in Albanien

In 40 Jahren Abschottung und Stalinismus war Fußball eine der wenigen erlaubten Ablenkungen. Hardy Grüne reist durch das Land und seine Geschichte.

FOLGE 2: Planung

Nachdem die Entscheidung zum Turnier anzureisen gefallen war, kümmerte ich mich zunächst um die Flüge. Das Datum des Eröffnungsspiels stand schon frühzeitig fest (Samstag, 13. Januar 2024), einen Rahmenterminkalender gab es aber noch lange nicht (selbst Tage nach der Gruppenauslosung nicht). Dafür war bereits bestätigt, in welchen sechs Stadien übers Land verteilt gespielt werden sollte. Mehr Eckdaten benötigte ich für die Flugbuchung ohnehin nicht. Und dies frühzeitig zu erledigen erwies sich als kluger Move, denn bereits ein paar Wochen darauf hatten sich die Flugpreise nahezu verdreifacht. Direktverbindungen aus Europa gibt es eben nur aus Paris und Brüssel, und offenbar gibt es viele Interessenten, seien es nun Afrikaner, die Presse oder Fußballtouristen wie ich. 

Die Gruppenauslosung am 12. Oktober brachte dann zwar hervor, wer gegen wen antreten würde, aber eben noch nicht wann und wo. Mit 24 teilnehmenden Nationen ist das Turnier mittlerweile ähnlich aufgebläht wie wir es von der EM und WM kennen. Viele Spiele an unterschiedlichen Spielorten erscheinen auf den ersten Blick zwar als sehr hopperfreundlich, bedeuten aber auch eine enorme Herausforderung vor Ort hinsichtlich der Organisation: Vor allem was die Beherbergung der Teams, deren Entourage, der zahlreichen Journalisten und letztlich auch der vielen Fans angeht. Außerhalb der Wirtschaftsmetropole Abidjan sind Hotels nämlich recht dünn gesät. Mit Ausnahme des ersten Wochenendes in Abidjan zum Eröffnungsspiel, musste ich etwaige Hotelbuchungen erst mal auf die lange Bank schieben. 


Mittlerweile war bekanntgegeben worden, dass es erstmals auch ein Online-Ticketing geben würde - mit Start irgendwann im November. Na, das ist doch mal was! Die Ticketbeschaffung vor Ort war in der Vergangenheit nämlich meist mit viel Zeit, Aufwand und Frustration verbunden. Zum Turnier in Ghana 2008 wurden die Eintrittskarten über die lokalen Postämter vertrieben, wobei es immer ein Glücksspiel war, welche Filiale gerade welche Tickets vorrätig hatte. Glücklicherweise kam mir aber zuhause noch die ghanaische Botschaft in Berlin zur Hilfe: Bei der Beantragung des Visums wurde ich nach den Beweggründen meiner Reise gefragt, wir kamen ins Gespräch, und zwei Wochen vor Abreise hielt ich einen Satz Karten für die Vorrundenspiele der Gastgebernation in den Händen. In Südafrika erfolgte der Verkauf dann über die Spar-Supermarktkette, was abgesehen von Menschenmassen und Gedränge in den meisten Fällen auch relativ reibungslos funktionierte.
Etwas chaotischer verlief es dann wieder in Gabun: Dort gab es nämlich keine zentrale Anlaufstellen. Mal gab es die begehrten Tickets im Finanzamt oder im Kreiskrankenhaus. Mal bei einem auf dem Marktplatz aufgestellten Campingtisch mit Sonnenschirm. Das Problem dabei: Nicht immer waren Tickets für das Spiel am aktuellen Standort vorrätig, stattdessen aber reichlich Eintrittskarten für die 600 Kilometer entfernte Partie mit Anstoß in zwei Stunden. Letztendlich kommt man dann aber immer irgendwie ins Stadion, denn auch in Afrika haben viele die Möglichkeit entdeckt, sich hierbei etwas dazu zu verdienen. Da schmerzte auch ein 50% Aufschlag auf das 5-Euro-Finalticket nicht allzu sehr. 

ZEITSPEL-Ausgabe #33.
Fankultur im Unterbau

 Kein Videobeweis, keine personalisierten Tickets. Kein bombastisches Rahmenprogramm, keine Erfolgsfans, keine VIP-Tribüne. Der Fußball unterhalb der Glitzerebene ist anders. Ursprünglicher, geerdeter, authentischer. Wir sind durch die Republik gereist und haben Fans unterhalb des Profifußballs besucht, die das Motto „Support your local football team“ leben. Und die Verantwortung in ihren Klubs übernehmen und ihm damit die Zukunft sichern. 

FOLGE 1: Vorgeplänkel

Endlich wieder Afrika-Cup! Das Turnier findet zwar alle zwei Jahre statt, doch habe ich es in den vergangenen Jahren aus verschiedenen Gründen immer mal wieder sausen lassen. Angola und Äquatorialguinea erschienen mir zu teuer und zu restriktiv. Ägypten 2019 erwies sich als das Chaos, das viele erwartet hatten. Dann kam Covid um die Ecke, was den Wettbewerb in Kamerun um ein Jahr nach hinten verschob (2022). Da hätte ich gerne 20 Jahre nach meinem ersten Besuch mal wieder hingewollt, aber die bürgerkriegsähnlichen Zustände im englischsprachigen Westen des Landes machten es neben den noch geltenden Pandemiebestimmungen für mich zunehmend unattraktiver. Im Januar und Februar des noch jungen Jahres 2024 soll es jetzt also nach Côte d'Ivoire gehen (manchen vielleicht noch als Elfenbeinküste bekannt). 

Meine Feuertaufe in Sachen Afrika-Cup erlebte ich 2008 in Ghana. Ein mitreißendes Turnier und ein tolles Land mit wunderbaren Menschen machten es zu einer ganz besonders schönen Erinnerung. 2013 ergab sich dann in Südafrika die Möglichkeit, kostengünstig einige der WM-Stadien von 2010 zu besuchen. Mit 7.000 Kilometern in drei Wochen zu viert im Mietwagen holten wir dabei auch das Meiste heraus. Gabun 2017 war dann mein bislang letztes besuchtes Turnier, das ebenfalls ein Rundum-Erlebnis war, mit allem was man so erwarten kann (oder eben gerade nicht). Umso größer ist jetzt die Vorfreude. 

In den europäischen Ligen wird zu diesem Anlass ja gerne mal gejammert, wenn afrikanische Nationalspieler abgestellt werden müssen – was zuweilen manche „Fans“ zu rassistischen Beschimpfungen in den sozialen Medien hinreißen lässt. Der traditionell stets zu Jahresanfang angesetzte Afrika-Cup sollte diesmal auf Drängen europäischer Funktionäre bereits während der europäischen Sommerpause 2023 vonstatten gehen. Die CAF (der afrikanische Kontinentalverband) willigte zunächst ein, besann sich dann aber eines Besseren: Denn während der Regenzeit im westafrikanischen Sommer wäre das Turnier zwangsläufig zu einem logistischen Desaster geworden. Und deshalb wird jetzt vom 13. Januar bis 11. Februar 2024 gespielt. Bald schon geht es also los. Das Turnier behält aber trotzdem die „2023“ in seiner offiziellen Bezeichnung – ähnlich wie das bereits bei der Euro 2020 der Fall war, die pandemiebedingt erst 2021 ausgetragen wurde. In den kommenden Wochen werde ich versuchen, meine ganz persönlichen Eindrücke des Turniers vor Ort in einem Reisetagebuch über diesen Kanal festzuhalten. Spielanalysen und Taktiktafeln werdet ihr darin aber vergeblich suchen. Es wird vielmehr um das ganze Drumherum gehen, das die Faszination Afrika-Cup mit sich bringt. 

Eine virtuelle Reise durch die Wappenwelt der englischen Football League seit 1888. Mit 139 Vereinen und über 1.400 Wappen.

In 40 Jahren Abschottung und Stalinismus war Fußball eine der wenigen erlaubten Ablenkungen. Hardy Grüne reist durch das Land und seine Geschichte.

Fankultur im Unterbau. In unserer Ausgabe #31 reisen wir durch die Republik und schauen uns an, was unter Bundesliga, 2. Bundesliga und Regionalliga so auf den Rängen los ist.